Akte Mosel
nicht mehr. Walde versucht die Augen zu öffnen. Im schwachen Licht erkennt er weiße Laken und einen chromfarbenen Bogen am Ende des Bettes. Lämpchen blinken an Apparaten hinter einer Glasscheibe. Er versucht,den Kopf anzuheben. Neben dem Bett steigen glucksend Blasen in einem Behälter auf. Von dort führt ein durchsichtiger Schlauch herauf und verschwindet unter seinem Laken. Auf seiner Hand liegen blonde Haare.
Kein Nachttisch, keine Blumen, keine Bilder an den Wänden.
Walde schließt wieder die Augen. Ganz behutsam zieht er seine Hand unter dem Haar heraus. Er möchte wieder schlafen.
Eine Kanüle liegt in seinem Handrücken. Er kommt damit dem Haar so nah, daß er die elektrische Spannung darin spürt. Einzelne Haare lösen sich und streben seiner Hand zu. Walde blinzelt. Verschiedene Farbtöne, wie geschnittenes Holz. So ähnlich hat das erste Mädchenhaar ausgesehen, das er berührt hat. Im Wald, beim ersten engen Blues – ganz ohne Musik.
Wahrscheinlich ist er vollgepumpt mit Drogen. In Brusthöhe wölbt sich auf der rechten Seite etwas unter seinem Laken. Es ist der durchsichtige Schlauch. Hier und dort ist etwas lang gezogenes Rotes fädrig darin zu sehen. Es bewegt sich ganz langsam abwärts zu dem glucksenden Ding.
Waldes Hände berühren eine Stirn. Seine Mittel- und Zeigefinger streichen eine weiche Augenbraue entlang. Sie zuckt leicht. Waldes Hand gleitet auf das Laken herunter. Der Kopf hebt sich. Lippen kommen auf sein Gesicht zu und küssen seine Wange.
Er öffnet erneut die Augen: »Anna, du bist es.«
»Wen hast du erwartet?« Das Leben hat ihn wieder.
Es gluckst immer noch, als er wieder aufwacht, ein helles Geklapper hat sich dazugesellt. Harry sitzt neben dem Bett und hat einen Laptop auf den Beinen. Sonst hat sich im Zimmer nichts verändert, außer daß es heller ist.
»Hall …«, Walde räuspert sich. »Hallo Harry!«
»Gutes Timing, ich bin so gut wie fertig geworden.«
»Womit?« Waldes Stimme ist immer noch belegt.
»Ein Bericht zu der Brandstiftung von letzter Woche. Du erinnerst dich, die Geschichte mit Grabbes Phantomopfer oder …« Harry schaut Walde prüfend an. »Erinnerst du dich noch?«
Walde nickt.
»Womit soll ich anfangen, Stefan?«
Walde versucht, mit den Schultern zu zucken. Das löst auf der linken Seite einen heißen Schmerz aus.
»Du bist von einem Bus angefahren worden, praktisch vor deiner Haustür.«
»Und der Mofafahrer?«
»Ist in die Hecken gestürzt und hat sich dabei ein Bein gebrochen.« Harry macht eine Pause.
»Und?« fragt Walde ungeduldig.
»Das war alles erstmal ziemlich verworren. Du warst ohne Bewußtsein und hattest keine Papiere dabei. Grabbe hat den Krankenwagen mit dem Mädchen in die Kinderklinik begleitet. Eine Stunde später wurde dein verlassenes Auto auf dem Moselpfad gefunden. Da wurde ich erst benachrichtigt. Wir haben zuerst den ganzen Uferbereich abgesucht, zusammen mit der Wasserschutzpolizei und der Feuerwehr. Die haben auch Taucher eingesetzt. Letztlich kam von der Feuerwehr die Information mit dem Unfall …«
»Und die Schupo …«
»Die sind erst zur Unfallstelle gekommen, als der Krankenwagen mit dir schon fort war, das ist ja ganz in der Nähe vom Krankenhaus passiert, und dann war bei der Schupo Schichtwechsel … dazwischen gab es noch einen bösen Crash an der Bitburger …«
»Und der Mofafahrer?«
Harry zögert: »Ziemlich kompliziert. Also das Mädchen vom Sportplatz ist hörbehindert. Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen hat der Mann ihr nichts getan. Vielleicht hat der Bäcker sie zu irgendetwas aufgefordert oder nötigen wollen …«
»Wieso, der Bäcker? Den hast du doch beschattet?«
»Der hat mich gelinkt, aber zum Glück hat Grabbe Schlimmeres verhindern können.«
Ein weiß gekleideter Mann kommt herein. »Schon wieder bei der Arbeit, Herr Bock?«
Walde schaut ihn fragend an.
»Ich habe mich Ihnen zwar schon vorgestellt, aber das scheint Ihnen entfallen zu sein. Ich bin der Klempner, der Sie am Samstag an die Thoraxpumpe gehängt hat.«
Als Walde ihn immer noch verständnislos anschaut, fährt der Arzt fort: »Hat Sie Ihr Kollege noch nicht unterrichtet?« Walde schüttelt vorsichtig den Kopf.
»Sie haben rechts eine schwere Schulterprellung und mehrere Rippen angeknackst. Außerdem haben Sie sich bei dem Aufprall einen Pneumothorax, einen Riß der Lunge zugezogen, in dessen Folge die rechte Hälfte des Organs in sich zusammengefallen ist. Die Maschine sorgt dafür, daß der
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