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Akte X

Akte X

Titel: Akte X Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruinen
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Fahrrad durch die Nachbarschaft gefahren war, an jeder Tür geklingelt und alle gefragt hatte, ob sie Samantha gesehen hätten. Tief in seinem Herzen hatte er allerdings gewußt, daß es unmöglich eine so einfache Erklärung für das geben konnte, was er gesehen hatte.
Er hatte tagelang gearbeitet und »Vermißt«-Plakate hergestellt, auf denen er seine Schwester beschrieb und um Informationen bat wie bei der Suche nach einem entlaufenen Hund. Zu der Zeit konnte man noch nicht überall Fotokopien machen, so daß er jedes einzelne Blatt per Hand mit einem schwarzen Markierstift beschreiben mußte, dessen Lösungsmittel ihm scharf in die Nase stieg... und ihn noch mehr schnüffeln ließ, als er es ohnehin aus Wut und Trauer tat. Er hatte seine Plakate mit Klebstreifen und Reißzwecken an Schaufenstern, Telegrafenmasten und Bushaltestellen befestigt.
Doch niemand rief an. Lediglich ein paar Nachbarn, die ihr Mitgefühl ausdrücken wollten, meldeten sich.
Seine Mutter war vor Kummer niedergeschmettert, in Tränen aufgelöst, während sein Vater die ganze Zeit über versteinert und nicht ansprechbar blieb. Vielleicht lag es daran, daß er – wie Mulder heute wußte – eine gewisse Kenntnis davon hatte, was wirklich geschehen war. Sein Vater hatte eine Warnung erhalten, hatte etwas über die Gefahr gewußt, in der Samantha schwebte – aber er hatte geschwiegen und nichts dagegen unternommen.
Seit Jahren sah Mulder in jedem kleinen dunkelhaarigen Mädchen ein Abbild von Samantha. Sie war verschwunden, lange bevor es üblich wurde, die Bilder vermißter Kinder auf Milchkartons oder Wurfsendungen zu drucken. All die Anstrengungen Mulders, Poster aufzuhängen oder an Türen zu klopfen, waren letzten Endes sinnlos gewesen und hatten nicht im geringsten geholfen. Aber er hatte wenigstens das Gefühl haben können, nicht tatenlos herumzusitzen. Es war seine Mission gewesen. Und in gewisser Weise war sie es noch immer.
Und nun erlebte er, wie Vladimir Rubicon einen ähnlichen Prozeß durchmachte, indem er auf die Yucatan-Halbinsel reiste, seine alten Bekannten anrief und darauf bestand, die FBI-Agenten bei ihren Ermittlungen zu begleiten.
»Wir werden sie finden«, sagte Mulder mit erzwungener Zuversicht in der Stimme und streckte die Hand über den Tisch hinweg nach Rubicons Arm aus. Im Geist hatte er das Bild vor sich, wie seine Schwester in das leuchtende Licht hineingezogen wurde.
Mulder sah Rubicon fest in die Augen. »Wir werden sie finden.«
Doch er war sich nicht sicher, wem er dieses Versprechen eigentlich gab.

9
    Caribbean Shores Resort, Cancuen
Donnerstag, 21.11 Uhr
    Scully hatte es sich gerade für den Abend bequem gemacht, zufrieden nach einem köstlichen Essen und endlich entspannt, nachdem sie ihre Schuhe und ihre Strumpfhose ausgezogen hatte. Da sie wußte, daß sie in den kommenden Tagen auf dem Weg durch den Dschungel nach Xitaclan nur wenig Annehmlichkeiten und dafür um so mehr Strapazen vor sich hatten, wollte sie sich noch einmal gründlich ausruhen.
    In ihrem Hotelzimmer hing ein farbenfrohes, wenn auch klischeehaftes Gemälde von einem Sonnenaufgang über der Karibik, komplett mit flacher Brandung und Palmensilhouetten. Von ihrem privaten Balkon aus konnte sie den weißen Sandstrand und das Meer überblicken. Sie roch die salzige Abendbrise, lauschte dem Rauschen der Wellen und beobachtete die Pärchen, die unter den elektrischen Laternen, die oberhalb der Flutlinie aufgestellt waren, über den Sand promenierten. Der Gedanke, schwimmen zu gehen und sich zu entspannen, erschien sehr verlockend – aber dann rief sie sich in Erinnerung, daß sie hier waren, um einen Fall zu lösen.
    Mit einem müden Seufzer ließ sich Scully aufs Bett fallen, ohne die Decken zurückzuschlagen, und hoffte, der Augenblick der Ruhe würde länger als zwei Minuten anhalten.
    Das Pochen an ihrer Tür klang hart und scharf wie ein Pistolenschuß.
    Da sie keinen Zimmerservice bestellt hatte, war sie sofort alarmiert. Erneut ein lautes Klopfen. »Schon gut, ich komme«, rief Scully widerwillig.
    Sie blickte hinüber zu der halb offenen Verbindungstür zu Mulders Zimmer und spürte einen kalten Schauer – dieses beharrliche Trommeln gegen die Tür war nicht die höfliche Bitte um Aufmerksamkeit, wie man sie von einem Zimmerkellner erwartete. Dieses Pochen klang forsch und fordernd. Vorsichtig nahm sie ihre Waffe vom Nachttisch.
    Als sie die Tür öffnete, sah sie einen Mann mit mächtig gewölbter Brust vor sich, der die Uniform

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