Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Akte X

Akte X

Titel: Akte X Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruinen
Vom Netzwerk:
Leben, die man gleichzeitig genießen kann, sinnierte er. Doch Salida hatte einen Punkt erreicht, an dem er tun konnte, was er wollte.
    Er wählte den gußeisernen Schürhaken aus dem Gestell der Kaminwerkzeuge mit Messinggriffen, stocherte in dem brennenden Holz herum und beobachtete die aufwirbelnden Funken. Er spielte gern mit dem Feuer.
    Salida trat zurück und stolzierte mit dem Schürhaken durch den Raum, als wäre er ein Spazierstock, beobachtete seine Bewegungen, genoß seine persönliche Eleganz – wenn er sie auch erst in letzter Zeit erworben hatte, rechnete er doch damit, daß ihn diese Eleganz für den Rest seines Lebens nicht mehr verlassen würde. Bildung und Kultur waren eine Investition, ein unantastbarer Reichtum, der weit mehr umfaßte als nur Nippes und eine Kunstsammlung.
    Zufrieden ging Salida zu seiner Stereoanlage hinüber und blätterte beiläufig durch sein Repertoire mit Aufnahmen der besten klassischen Musik, unvergeßlichen Interpretationen, die dem Kennerohr schmeichelten. Er wählte eine Sinfonie des großen Salieri aus, eines in Vergessenheit geratenen Komponisten des achtzehnten Jahrhunderts. Allein die Tatsache, daß er in Vergessenheit geraten war, bedeutete für Salida, daß seine Werke selten und daher kostbar sein mußten.
    Als die wuchtigen, ineinanderlaufenden Melodien der Violinen das Hintergrundkratzen der alten Schallplatte übertönten, schlenderte Salida hinüber zu der Flasche auf seinem Tisch, drehte den Korken mit den Fingern heraus und schenkte sich noch ein Glas vom tiefroten Wein ein, einem 1992er Merlot. Er ist gut gealtert und mild, dachte er, nicht so jung und spritzig wie manches von dem Cabernet Sauvignon, den er im Weinkeller hatte. Dieser Wein stammte aus einer der besten Winzereien Kaliforniens, hatte man ihm gesagt. Er hielt das Glas empor, wirbelte die Flüssigkeit herum und ließ das Licht des Kaminfeuers mit ihrer tiefdunklen, granatroten Farbe spielen.
    Behutsam nippend trat Salida auf den offenen Balkon hinaus und atmete die feuchte Nachtluft ein. Die Hängematte zwischen den verzierten Streben ließ ihn an gemächlichere Tage und entspannende Nachmittage denken... die letzte Woche jedoch war schwierig gewesen. Tausend anstrengende Herausforderungen... doch ich habe sie gemeistert!
    Als er ins Dunkel hinausblickte, sah er die monolithische Silhouette der antiken Maya-Stele, die das Zentrum des Vorplatzes markierte. Sternenlicht fiel auf das kostbare Monument, und er erkannte die gedrungene Gestalt dieses verdammten Pfaus, der auf der Spitze hockte.
    Ein blöder Pfau – ganz wie sein Rivale Pieter Grobe, ein marktschreierischer, aufgeblasener Mann, der letzten Endes bedeutungslos war... nichts als eine amüsante, bunte Dekoration. Salida hatte versucht, dem Gringo eins auszuwischen und Vergeltung dafür zu üben, daß Grobe unbedachterweise eines von Salidas privaten Kurierflugzeugen abgeschossen hatte. Salidas Männer sollten im Gegenzug eines von Grobes Flugzeugen ausschalten, doch das hatte sich als undurchführbar erwiesen.
    Dieser miese Belgier hatte seine Sicherheitsvorkehrungen, verstärkt und keine Schwachstelle rings um seine Maschinen zugelassen – und so war Salida keine Wahl geblieben, als sich für eine alternative Rache zu entscheiden. Nicht so raffiniert, aber letztlich ebenso zufriedenstellend: Ein riesiger Tanklaster war zufälligerweise mitten auf einem von Grobes Marihuana-Feldern explodiert. Das Feuer und der ätzende Rauch hatten einen großen Teil der Ernte zerstört.
    Nachdem die Rechnung auf diese Weise beglichen war, verspürte Salida keinen Wunsch, die Ereignisse zu einem offenen Krieg eskalieren zu lassen. Er vermutete, daß Grobe sich einfach langweilte und ab und zu einmal Dampf ablassen mußte. Geschehen ist geschehen.
    Nun konnte er sich entspannen und das Leben genießen, die Kultur, die schönen Dinge. Als sich die sinfonischen Klänge aus Salieris erstem Satz zu einem Crescendo steigerten, kehrte Xavier Salida in das Wohnzimmer zurück.
    Er nahm noch einen Schluck Wein, ließ die Flüssigkeit im Mund umherwandern und identifizierte ihre Nuancen, wie man es ihn gelehrt hatte. Er schnüffelte das »Bouquet«, beurteilte die »Trockenheit« und ließ den »Abgang« verklingen.
    Im stillen jedoch erlaubte sich Salida eine heimliche Sehnsucht nach jenen Tagen, als er sich noch mit seinen einheimischen Compadres zurücklehnen, zuviel Tequila trinken, laut lachen und deftige Lieder singen konnte. Doch das war

Weitere Kostenlose Bücher