Akte X
Trockene hievten. Scully half ihnen dabei und ließ Mulder für einen Moment aus den Augen. Seine Beklemmung wuchs.
Das Wasser wirkte kalt wie die Hände eines Kadavers, die seine Arme und Beine betasteten und an seinen nassen Kleidern zerrten. Seine Muskeln kribbelten und zuckten vor aufkommender Panik... und Mulder beschloß, nicht länger zu warten. Er schwamm zu der steilen Kalksteinwand und begann, ohne Hilfe an den korkenzieherförmigen Felsabsätzen emporzuklettern.
Er hatte es schon zur Hälfte geschafft, bevor Aguilar und die Indios dazu kamen, das herabhängende Seil aufzunehmen und ihm den Rest des Weges hinaufzuhelfen.
Tropfnaß und trotz der tropischen Hitze fröstelnd schaute Mulder schließlich vom Rand der Cenote noch einmal hinab und starrte lange ins finstere Wasser. Der Opferbrunnen schien unberührt, teilnahmslos, unendlich tief... und immer noch hungrig.
Auf der Plaza bei den Resten ihres Lagers wurde Mulder laut, als er versuchte, Fernando Aguilar zur Räson zu bringen, und dabei seine ohnehin arg strapazierte Geduld verlor. »Keine Ausreden mehr, Aguilar! Ich will dieses Funkgerät jetzt aufgebaut und in Betrieb haben. Wir wissen, wo es ist, also sparen Sie sich Ihre Ausflüchte. Dr. Rubicon hatte vor, heute morgen eine Nachricht zu senden, und jetzt ist sie noch dringlicher geworden.«
Schließlich lenkte Aguilar ein und lächelte ihn an, während er zurücktrat. »Natürlich, Señor Mulder, das ist eine sehr gute Idee. Angesichts dieser Tragödie können wir die Situation nicht mehr allein regeln, eh? Es ist besser, unsere Suche nach Señorita Rubicon und ihrem Team aufzugeben. Ja, ich werde das Funkgerät holen.«
Sichtlich erleichtert, einen Abstand zwischen sich und Mulder bringen zu können, eilte Aguilar zum alten Ausrüstungslager des Archäologenteams, das seit seiner Entdeckung am Vortag unangetastet geblieben war. Allerdings hatte Mulder ihm nicht gesagt, daß er keineswegs beabsichtigte, die Suche nach Cassandra abzubrechen.
Scully hatte den Leichnam von Dr. Rubicon auf die Steinplatten gelegt und begann, ihn zu untersuchen. »Ich brauche keinen Autopsieraum, um herauszufinden, was ihn getötet hat, Mulder.«
Sie tastete mit den Händen das Genick des alten Mannes ab, befühlte seinen großen Adamsapfel und knöpfte dann sein Hemd auf, um seine feuchtkalte Brust und seine Arme, die sich wie Gummi anfühlten, zu betrachten.
Die Indios wollten nicht in der Nähe der Leiche sein und hatten sich in den Dschungel zurückgezogen. Im Augenblick machte Mulder die Einsamkeit nichts aus. Es bereitete ihm zunehmendes Unbehagen, mit Begleitern, denen er nicht trauen konnte, isoliert im Dschungel zu sitzen und sogar auf ihre Hilfe angewiesen zu sein.
Scully preßte ihre Hände auf Rubicons Brust, klopfte den Thorax ab und legte aufmerksam lauschend den Kopf schief, als sie die Luft aus seinen toten Lungen drückte. Mit verblüfft aufgerissenen Augen blickte sie zu Mulder auf. »Also, ertrunken ist er nicht – soviel steht fest.«
Mulder sah sie eindringlich an. Ihr Finger glitten über Rubicons Genick. »Mehrere seiner Halswirbel sind gebrochen.«
Sie rollte ihn herum und legte einen grauen Fleck in seinem Nacken frei, der im kalten Wasser dunkelrot angelaufen war. »Außerdem bin ich davon überzeugt, daß diese Verletzung nicht durch einen einfachen Sturz verursacht wurde... Dr. Rubicon ist nicht einfach über den Rand getreten und ins Wasser gefallen. Ich glaube, Aguilar möchte, daß wir an einen Unfall glauben – doch alles deutet darauf hin, daß Rubicon einen kräftigen Schlag von hinten erhalten hat. Irgend etwas hat sein Genick zertrümmert... Mulder, Dr. Rubicon war tot, bevor er in die Cenote geworfen wurde.«
»Aguilar wollte verhindern, daß er heute morgen seinen Funkspruch absetzte«, überlegte Mulder. »Vielleicht war ihr Streit gestern ernster, als ich dachte. Aguilar muß was zu verbergen haben...«
»Vergessen Sie nicht, daß er Cassandra Rubicons Team hierher geführt hat – und jetzt werden sie alle vermißt. Ich fürchte, wir müssen davon ausgehen, daß sie tot sind.«
»Meinen Sie, daß er vorhat, auch uns zu töten? Er hat hier alle Vorteile auf seiner Seite.«
»Wir haben immer noch unsere Waffen, falls es soweit kommen sollte.« Scullys Schultern sackten herab, doch schon im nächsten Augenblick hatte sie sich wieder unter Kontrolle. »Hören Sie, Aguilar weiß, daß wir Bundesagenten sind. Er weiß, wie die Vereinigten Staaten durchgreifen, wenn einem ihrer
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