Akte X
daß Dr. Rubicon selbst das grausige Ergebnis ihrer Ermittlungen nicht mehr erleben mußte.
Mulder hielt den schweren, luftdichten Helm in den Händen. »Und nun, um das Ensemble zu vervollständigen«, deklamierte er, »Ihr entzückender Hut.«
Obwohl er frisch aus der Kiste kam, schien es ein alter Anzug aus dem Schnäppchenkeller zu sein. Scully hoffte, daß die Ausrüstung überprüft und für funktionstüchtig befunden worden war. Wie viele Forschungsexpeditionen hatte das Team aus San Diego mit einem knappen Budget gearbeitet und war zu allen nur erdenklichen Einsparungen gezwungen gewesen. Nach den Papieren, die sich in der Kiste befunden hatten und die Fernando Aguilar ihnen übersetzt hatte, war der Anzug von der mexikanischen Regierung als Teil ihrer Förderung der Xitaclan-Expedition zur Verfügung gestellt worden.
Als Scully den schweren Helm über ihr rotgoldenes Haar stülpte, wurde Mulders Gesicht ernst. »Glauben Sie, daß Sie das schaffen, Scully?«
»Das gehört zu unserem Job, Mulder«, erwiderte sie lebhafter, als ihr zumute war. »Das hier ist unser Fall, und jemand muß hinunter und nachsehen.« Sie senkte ihre Stimme. »Halten Sie Ihre Waffe bereit. Sie werden allein hier oben sein und ich allein dort unten. Strategisch keine sehr vorteilhafte Situation.«
Mulder trug seine Neun-Millimeter Sig Sauer griffbereit bei sich, seit sie den Unfall des alten Archäologen entdeckt hatten – doch die Indios waren ihnen zahlenmäßig weit überlegen und hatten offensichtlich keine Scheu vor Verletzungen... vor allem wenn sie vorhatten, ein weiteres, größeres Blutopfer darzubringen.
Und selbst wenn Mulder und Scully nicht gewaltsam angegriffen wurden, waren sie immer noch von Fernando Aguilar abhängig, um wieder aus diesem Dschungel herauszufinden.
Strategisch keine sehr vorteilhafte Situation, wiederholte Mulder im stillen.
Scully sicherte den schweren Tauchhelm und verriegelte die Befestigungsringe am Kragen. Im Inneren hallten ihre Atemzüge wie ein Windzug durch eine Höhle. Sie schluckte schwer.
Mulder half ihr, die langen, gummiüberzogenen Schläuche für die Luftzufuhr zu überprüfen, die wie Gartenschläuche vom Rücken ihres Anzugs herabhingen. Ein kleiner Generator würde von oben her Luft in ihren Helm pumpen und zirkulieren lassen, obwohl er kaum groß genug zu sein schien, um einen Reisefön zu versorgen.
Aguilar und die Indios standen um die Ausrüstung herum und beobachteten sie mit einer Mischung aus Neugier und Sorge. Scully warf ihnen einen hastigen Blick zu, sah jedoch niemanden mit fehlenden Fingern oder einer verbundenen Hand.
»Ich verstehe nicht, was Sie da unten erreichen wollen, Señorita«, sagte Aguilar zum wiederholten Mal, die Arme vor seiner khakifarbenen Weste verschränkt. »Wir befinden uns hier in einer bedenklichen Lage und sollten so schnell wie möglich aufbrechen.«
Aguilar deutete auf die Indios und sprach leise weiter, obwohl Scully bezweifelte, daß einer von ihnen Englisch verstand. »Meine Mitarbeiter sind entsetzt über Ihr Vorhaben, die heilige Cenote zu entweihen. Sie ist verflucht durch die Menschen, die dort geopfert wurden... Sie sagen, die Götter hätten Rache an dem alten Mann genommen – und wenn wir fortfahren, sie zu stören, werden die Götter auch uns angreifen.«
»Genauso, wie sie die Mitglieder des Archäologenteams angegriffen haben?« meinte Mulder.
Aguilar zog seinen Ozelotfellhut tiefer ins Gesicht und schüttelte seinen dunklen Pferdeschwanz. »Vielleicht hat es seinen Grund, daß Xitaclan so viele Jahrhunderte lang verlassen geblieben ist, Señor Mulder.«
»Ich gehe hinunter«, sagte Scully mit Nachdruck. Ihre Stimme drang hohl aus dem offenen Visier. »Wir sind verpflichtet, alles zu probieren, um unsere Leute zu finden. Die Cenote ist der nächstliegende Ort, den wir noch nicht durchsucht haben... insbesondere, nachdem wir Dr. Rubicon dort gefunden haben.« Sie überprüfte die Gewichte und die Taschenlampe an ihrem Gürtel. »Ich respektiere zwar die religiösen Überzeugungen Ihrer... Mitarbeiter, aber sie müssen auch internationale Gesetze respektieren, Mr. Aguilar.«
Scully versiegelte das Visier und winkte dann Mulder, den Luftgenerator einzuschalten. Ein quietschendes, stotterndes Geräusch wie der Lärm einer winzigen Baumaschine pulsierte durch den Dschungel. Sie sog die abgestandene, säuerlich nach Dichtungsmitteln und altem Gummi riechende Luft ein. Als sie einen leichten Luftzug um ihr Gesicht spürte,
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