Akte X
Zustand. Die Uniform war an den Säumen ein wenig ausgefranst, und im Bereich der Lenden befanden sich drei Löcher von der Größe einer Münze, doch die Konfektionsgröße paßte. Dennoch hatte Mulder sich gesträubt, die Uniform zu tragen - bis der Händler ihm versicherte, dass der ursprüngliche Eigentümer von seinen Verletzungen genesen war.
Die Entscheidung für das automatische Gewehr war Mulder leichter gefallen. Seine Waffe war mit seinen Kleidern verschwunden, und ihnen war keine Zeit geblieben, den komplizierten offiziellen Weg einzuschlagen, der zu einem regulären Ersatz führte. Mulders FBI-Ausbildung deckte die meisten modernen Handfeuerwaffen ab, und so hatte er auch mit der CAR-15 umzugehen gelernt, die nun über seiner Schulter hing. Das Gewehr entsprach weitgehend der kürzeren Karabinerform einer Ml6 des Kalibers 5.56 mm, und da der Händler die Waffe gut gepflegt und geölt hatte, schien sie mit den zwanzig Schuß Munition, die er ihnen mitgegeben hatte, mehr als einsatzbereit zu sein. Dieses Gewehr war eine brutale Waffe - gewiß war es imstande, auch die widerstandsfähigste synthetische Haut zu durchschlagen.
»Ich kann Ihre Zuversicht nicht teilen«, entgegnete Scully schließlich, während sie den knochigen jungen Mönch betrachtete. Mit seinem vorspringenden Kinn und den schmalen Augen erinnerte er sie an einen gerupften Vogel. »Selbst wenn der Ort, den wir suchen, existiert... es gibt am Fuß des See Dum Kao Tausende von Höhlen.«
Mulder hob die Schultern und zog den Stiefel wieder an. Als das Leder den frischen Verband an seiner Wade streifte, zuckte er vor Schmerz zusammen. »Sie haben doch die Karte gesehen, die Ganon mir im Tempel gezeigt hat. Malku hat Jahre damit zugebracht, sich jede Wegbiegung auf dieser Karte einzuprägen. Sein ganzes Leben ist der Auslegung der Legende vom Skin Eater gewidmet. Scully, glauben Sie mir: Die Höhle ist am Ende dieses Weges.«
Mit einer energischen Bewegung zog Scully das Gummi straff, das ihre Haare im Nacken zusammenhielt. Sie hatte all ihre Vorbehalte hintanstellen müssen, während sie Mulder zu Ganon in den Tempel von Gin-Korng-Pew begleitete. Und nur ein einziger Grund hatte sie schweigen lassen, als der alte Mönch seinen Schüler anwies, die beiden Agenten zu führen: Die legendäre Höhle war ihre erfolgversprechendste Spur auf der Suche nach einer privaten Klinik, die groß genug war, zweitausend Soldaten mit schweren Verbrennungen zu versorgen. Der Mythos war in der Tat hervorragend geeignet, um derartig unethische und radikale Experimente zu verschleiern. Während des Krieges hatte Emile Paladin vielleicht eine Art privater Pflegeeinrichtung aufgebaut, deren Leitung nach seinem Tod an Fibrol gefallen war - das Unternehmen war durchaus imstande, eine solche Einrichtung zu finanzieren, während irgend jemand, möglicherweise Julian Kyle, Paladins Transplantationsforschung fortführte.
Allerdings schenkte Scully der Legende absolut keinen Glauben. Sie hatte die Leichen von Allan und Rina Tow-bridge gesehen. Sie hatte Emile Paladins Totenschein gelesen. Und sie hatte in dem unterirdischen Labor nichts entdecken können, was auch nur im entferntesten auf die Verbindung zu einem hautvertilgenden Ungeheuer hinwies. Das Hautstück, das in Mulders Wade eingesetzt worden war, war zu Staub zerfallen, der sich während der mikroskopischen Untersuchung vollends in seine molekularen Bestandteile aufgelöst hatte, was jede weitere Analyse unmöglich machte. Als Scully und Mulder vor ihrem Marsch in die Berge ins Hotel zurückgekehrt waren, hatten sie von dem Mann, den Scully mit der Lampe ausgeschaltet hatte, keine Spur mehr gefunden. Scully vermutete, dass der Eigentümer des Hotels den Leichnam entdeckt und dafür gesorgt hatte, dass er gemeinsam mit den Trowbridges abtransportiert wurde. Erfolglos hatte sie versucht, telefonisch etwas über den Verbleib des Toten zu erfahren, bis sie sich schließlich in das offensichtlich Unabänderbare fügte: Der Drohn war eine weitere Autopsie, die niemals stattfinden würde.
Alles wies auf eine Verschwörung zu medizinischen Forschungszwecken hin:
Transplantationsexperimente, die irgendeinem dunklen Zweck dienten und ein Ziel verfolgten, für das es sich zu morden lohnte und das es erforderlich machte, die bisweilen tödlichen Nebenwirkungen zu vertuschen. Rückblickend war Scully zu dem Schluß gelangt, dass sie während dieses ganzen Falls von unbekannter Seite beobachtet und in gewissem Umfang
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