Akte X
war sein Zuhause, schon die bloße Anwesenheit der beiden Agenten war ihm zuwider. Und dieses Mal würde Onkel Julian ihm nicht in die Quere kommen.
Tien schlich vorwärts, und seine geschmeidigen Hände schlüpften aus den langen Ärmeln. Gerade erst hatte er den letzten Drohnen des ersten Stadiums gesichert; noch immer hielt er das handliche Elektroschockgewehr in der linken Hand, das seit dem Debakel um den entflohenen Drohnen in New York zum unverzichtbaren Handwerkszeug gehörte. Besser, einen Drohnen zu töten, als ihn entkommen zu lassen. Seine rechte Hand umspannte das Heft des Rasiermessers. Die beiden Agenten waren schwer bewaffnet, doch Tien hatte keinerlei Zweifel daran, dass ihm Messer und Betäubungswaffe für sein Vernichtungswerk reichen würden. Zunehmende Erregung pochte durch seinen Unterleib, als er sich den beiden mit der Lautlosigkeit einer Katze näherte.
Kapitel 27
Aus dem Augenwinkel erkannte Scully eine Bewegung, und sie drehte ruckartig den Kopf zur Seite. Der junge Mann lief direkt auf sie zu, und sein schlanker Körper glitt mit einer erstaunlichen Beweglichkeit zwischen den Geräten und Tragen hindurch. Die Augen in seinem Gesicht, das eine Fratze der Wut, Aggression und einer kaum verhohlenen Begierde war, waren zu schmalen Schlitzen verengt. Seine erhobenen Hände erinnerten sie an Fangzähne und verliehen ihm mehr den Anschein einer Schlange als den eines menschlichen Wesens. Scully sah die scharfe Klinge im gelblichen Scheinwerferlicht aufblitzen, dann bemerkte sie die Betäubungswaffe, die direkt auf sie zielte. Ihr blieb keine Zeit, die Waffe auf ihn zu richten, ihr blieb nicht einmal die Zeit zu schreien. Statt dessen tat sie das, was ihr als erstes in den Sinn kam. Sie streckte die Hand aus und packte Mulders Schulter.
Der elektrische Schlag erwischte sie an der rechten Körperseite, und im selben Augenblick schien ein lautes Rasseln ihren Kopf zum Bersten bringen zu wollen. Ihr Körper hob einige Zentimeter vom Boden ab, ihre Muskeln verkrampften sich und sie stürzte genau auf Mulder. Als ein Teil der Elektrizität durch seinen Körper geleitet wurde, zuckte er unter ihrer Hand zusammen. Das automatische Gewehr entglitt seinen Händen und polterte unter eine Rolltrage, die wenige Schritte von ihnen entfernt stand. Gemeinsam prallten sie gegen die Felswand, nur Zentimeter von der Doppeltür entfernt. In der nächsten Sekunde glaubte Scully, ihre Haut stünde in Flammen. Sie japste, Schwindel erfaßte ihre Sinne, und ihr Blickfeld wurde von aufflackernden schwarzen Punkten getrübt. Vage fühlte sie, wie sich Mulder von der Last ihres Körpers befreite und zu seiner Waffe kroch.
Als ihre Wange den Boden berührte, verschwamm der Raum zunehmend vor ihren Augen. Keuchend kämpfte sie darum, bei Bewusstsein zu bleiben. Ihre Hand an Mulders Schulter hatte sie zwar davor bewahrt, die ganze Macht der Betäubungswaffe zu spüren zu bekommen, und sie hatte Mulder mit derselben Berührung warnen können - andererseits waren sie nun beide vorübergehend außer Gefecht. Mit einiger Mühe gelang es ihr, die Hände abzustützen und den Kopf anzuheben. Mulder robbte wenige Schritte von ihr entfernt über den Boden, nur Zentimeter trennten seine Hand von dem Gewehr... doch dann fiel ein langer, dunkler Schatten über ihn, ein sehr lebendiger und kräftiger Schatten. Er zerrte Mulder von der Waffe fort und drehte ihn unsanft auf den Rücken.
Scully schüttelte den Kopf, um die schwarzen Punkte zu vertreiben, und der Schatten bekam plötzlich eine dreidimensionale Gestalt: Es war der junge Mann, der mit gespreizten Beinen über Mulder stand und seine Klinge direkt über das Gesicht ihres Partners hielt. Nein. Scully biss die Zähne zusammen und katapultierte sich mit aller verbliebenen Kraft auf die beiden Männer zu.
Sie schlug auf dem Rücken des Angreifers auf, und ihr Gewicht schleuderte ihn von Mulder fort. Doch noch bevor sie auch nur den Boden berührten, hatte er sich bereits aus ihrem Griff befreit. Sein linker Handrücken erwischte Scullys Unterkiefer, und sie flog über den Boden und prallte gegen einen medizinische Gerätewagen, der unter der Wucht ihres Körpers gegen die Wand geschmettert wurde. Einige der Geräte polterten zu Boden. Der Geschmack von Blut erfüllte ihren Mund, während ein gezerrter Muskel stechende Schmerzen durch ihre Körperseite jagte. Nach Luft ringend, hob sie den Kopf und bemerkte, dass eine Herz-Lungen-Maschine zertrümmert neben ihrer Schulter lag.
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