Akte X Novel
wurde sofort transplantiert. Wegen seines Alters konnten wir lediglich die Dura Mater, die äußere, harte Hirnhaut kryokonservieren.“ Er klappte sein Klemmbrett zu.
„Dann haben Sie also Material, das getestet werden kann?“ hakte Mulder nach.
Dr. Phillips nickte. „Und wir haben Mr. Graves’ Krankenakte. Wir werden eine Probe entnehmen, einen Test machen, und in ein paar Stunden können wir Ihnen sagen, ob er der Spender ist.“
Scully sah zu, wie der Techniker in dem sterilen Raum eine Gewebeprobe aus dem Material in dem Laborbehälter entnahm. Zufrieden, daß sie schon bald wissen würden, ob Graves seinen Tod nur vorgetäuscht hatte oder ob er wirklich gestorben war, setzte sie sich und brachte ihre Notizen über diesen Fall auf den neusten Stand. Erst nach einer Weile bemerkte sie, daß Mulder sie mit besorgter Miene betrachtete.
„Stimmt was nicht?“
„Sie denken, daß Lauren in ein Verbrechen verwickelt ist“, stellte er fest.
„Ich denke, daß das überaus wahrscheinlich ist“, entgegnete sie. „Sie nicht?“
Mulder schüttelte den Kopf. „Nein, ich denke, dafür hat sie viel zu große Angst.“
„Daß Lauren verängstigt ist, bedeutet noch lange nicht, daß sie auch unschuldig ist“, konterte Scully. „Wir beide haben schon viele Kriminelle gesehen, die wegen ihrer Taten mehr als nur ein bißchen nervös waren.“
„Ich glaube, hier geht es um etwas anderes“, widersprach Mulder.
Scully zuckte die Schultern und wandte sich wieder ihren Notizen zu. Schließlich waren die Tests der erste Schritt auf dem Weg zur Wahrheit.
Aber Mulder ließ noch nicht locker. „Und was machen wir, wenn wir herausfinden, daß Howard Graves noch lebt?“ fragte er leise.
Scully sah auf. „Dann werden wir ihn aufspüren und Ermittlungen bei HTG durchführen. Aber zuerst werden wir Lauren Kyte verhaften.“
10
Im Gebäude der HTG Industrial Technologies zierten bunte Girlanden die Wände, unter den Zimmerdecken schwebten bunte Ballons. Mit Hilfe eines Matrizendruckers hatte jemand ein Spruchband hergestellt, das über dem Eingang des Großraumbüros aufgehängt worden war und auf dem die Worte ALLES GUTE, LAUREN! zu lesen waren. Die Abschiedsparty ging allmählich dem Ende zu. Nur ein kleines Stückchen Kuchen war noch übrig, und auch die meisten Sektflaschen waren leer.
Sekretärinnen, Vorarbeiter und einige jüngere Angestellte aus der Geschäftsleitung hatten sich versammelt, um Lauren die Hand zu schütteln, ehe sie zu ihren Schreibtischen zurückkehren mußten.
Lauren, auf der sämtliche Blicke ruhten, lächelte standhaft und bemühte sich, so zu tun, als würde sie sich amüsieren, was ihr nach der vorangegangenen Nacht jedoch nahezu unmöglich war. Doch wenn sie ihrer eigenen Party ferngeblieben wäre, hätte sie sich nur verdächtig gemacht. Außerdem mochte sie Jane und ein paar andere Mitarbeiterinnen wirklich gern. Trotzdem war sie erleichtert, daß die Feier fast vorbei war. Sie konnte es kaum erwarten, die Tür zu den Büroräumen von HTG zum letzten Mal hinter sich zu schließen.
Jane zog Lauren beiseite und übergab ihr einen Umschlag. „Ich habe in der Buchhaltung Druck gemacht, damit Sie noch
Ihren Scheck erhalten, ehe Sie gehen.“
Lauren lächelte ihre Kollegin an und umarmte sie. Jane war
stets für sie dagewesen.
„Ich werde Sie vermissen“, sagte Jane mit Tränen in den
Augen.
„He“, versuchte Lauren ihre Freundin zu beruhigen. Sie
reichte ihr ein Glas Sekt. „So schlimm ist es doch auch wieder
nicht.“
„Sind Sie sicher, daß wir Sie nicht umstimmen können?“ „Ich... ich muß einfach von vorn anfangen“, erwiderte
Lauren, obgleich sie sich von Herzen wünschte, sie könnte
Jane erzählen, was wirklich vorging. Aber sie war nicht davon
überzeugt, daß irgend jemand bei klarem Verstand ihr auch nur
ein Wort glauben würde. Und wenn es jemand tat, so konnte er
durchaus ebenfalls in ernste Gefahr geraten.
Jane umarmte sie noch einmal. „Lauren, Kindchen, wenn ich
irgend etwas, ganz egal was, für Sie tun kann, dann rufen Sie
mich an!“
„Das werde ich“, versprach Lauren.
Dann ging sie zurück zu ihrem Schreibtisch, ergriff den
Karton mit ihrer Habe – ein Namensschild, Pflanzen und ein
paar Beutel Kräutertee – und machte sich auf den Weg nach
draußen.
Etwas hielt sie auf. Sie blieb stehen, und ihr Blick wanderte
zu Mr. Graves’ Büro. Sein Namensschild prangte noch immer
an der Tür. Unfähig, sich zusammenzureißen, betrat Lauren ein
letztes Mal das Büro
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