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Akunin, Boris - Pelagia 01

Akunin, Boris - Pelagia 01

Titel: Akunin, Boris - Pelagia 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pelagia und die weissen Hunde
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auch ein hysterisches Lachen sein konnte.
    Naina drehte sich plötzlich jäh zu Bubenzow um, der die Rauferei mit sorglosem Lächeln beobachtete, und fragte ihn mit klirrender Stimme:
    »Na, lustig?«
    »Nicht sehr«, antwortete er halblaut.
    »Fürst der Finsternis«, flüsterte Naina und prallte erschrocken von ihm zurück, dann fügte sie etwas Unverständliches hinzu: »Fürst und Fürstin, wie das passt. . .«
    Ohne das Ende des Kampfes abzuwarten, stürmte sie Hals über Kopf davon.
    »Madame Telianowa beherrscht nicht die Kunst des Bühnenabgangs«, sagte Bubenzow ironisch zur Gastgeberin. »Einfach hinausgehen, das bringt sie nicht fertig, sie muss unbedingt rennen.«
    Olimpiada sah aus wie eine siegreiche Nike – die Soiree hatte ihre Erwartungen weit übertroffen.
    »Es reicht, meine Herren!«, verkündete sie laut. »Was sind denn das für Kindereien. Daran ist nur der Champagner schuld. Kommen Sie morgen zur offiziellen Eröffnung. Ich denke, es wird interessant werden.«
    Aber tags darauf fand keine allgemeine Eröffnung statt, denn es gab nichts zu eröffnen.
    Und niemanden, der es hätte tun können.

 Dieselben, doch nicht alle
    Aber immer der Reihe nach, denn hier ist jedes, selbst das scheinbar unwichtigste Detail von Bedeutung.
    Als Arkadi Poggio um halb zehn Uhr morgens noch nicht zum Frühstück erschienen war, dachte sich Olimpiada zunächst nichts dabei, denn ihr Gast aus der Hauptstadt zeichnete sich, wie es einem freischaffenden Künstler ziemt, nicht eben durch Pünktlichkeit aus. Doch nach einer Viertelstunde, als das Omelett nicht mehr warten konnte, schickte sie einen Lakai. Der überquerte den Hof und ging auf die Straße, denn anders gelangte man nicht zu dem einzeln stehenden Flügel, läutete das Glöckchen und klopfte sicherheitshalber, bekam jedoch keine Antwort.
    Da wurde die Postmeistersgattin unruhig, denn Poggio konnte ja einen Schwächeanfall erlitten haben nach den gestrigen Erlebnissen und dem sehr fühlbaren Faustschlag, den Schirjajew ihm verpasst hatte. Der Lakai wurde ein zweites Mal ausgesandt und bekam den Schlüssel mit. Den brauchte er freilich nicht, denn Poggio hatte in seiner Zerstreutheit die Tür nicht abgeschlossen. Der Sendbote ging hinein, und nach ein paar Augenblicken durchgellte sein Schrei das Haus.
    An dieser Stelle sei erwähnt, dass in unserer Stadt seit etlichen Jahren Tötungsdelikte sehr selten vorgekommen waren. Eigentlich hatte sich diese Sünde das letzte Mal vor zwei Jahren ereignet, als zwei Lastfuhrleute sich wegen einer Marktschönheit in die Haare kriegten und der eine dem anderen einen Knüppel zu heftig über den Schädel zog. Und fünf Jahre davor war aus Liebe Folgendes geschehen: Zwei Gymnasiasten aus der sechsten Klasse hatten sich mit Schusswaffen duelliert. Der eine von ihnen hatte einen Liebesbrief abgefangen, der an die hübsche Tochter unseres Stadtarchivars Benewolenski gerichtet war. Pistolen hatten die Jungen nicht, sie schossen sich mit Jagdgewehren und waren beide tot. Über diese Geschichte schrieben sämtliche Zeitungen, wenngleich natürlich nicht so exponiert wie über den jetzigen Zwischenfall mit den Syten. Das arme Mädchen, das ohne eigenes Zutun zum Anlass der zwiefachen Tötung geworden war, wurde von seinem Vater für immer zu Verwandten in ein entlegenes Gouvernement geschickt, wohl gar nach Wladiwostok.
    Aber diesmal war keine besoffene Schlägerei und kein jugendlicher Maximalismus die Ursache, sondern es deutete alles auf vorsätzlichen Mord, der noch dazu mit besonderer Bestialität verübt worden war. Unbekannte kopflose Leichen, aus Gott weiß was für einer tiefen Einöde angeschwemmt – das ist das eine. Aber etwas ganz anderes ist es, wenn sich eine solche Untat mitten in Sawolshsk ereignet, in der vornehmsten Straße, und das Opfer ein berühmter Mann aus der Hauptstadt war, bestens bekannt in der guten Gesellschaft. Das Entsetzlichste bestand darin, dass das Verbrechen – daran zweifelte niemand – von einem Mitglied dieser Gesellschaft begangen worden war, überdies aus Motiven, welche die Phantasie gewaltig anheizten (es muss nicht erwähnt werden, dass der skandalöse Ausgang der Soiree bei der Postmeistersgattin sich noch am selben Abend in der ganzen Stadt herumgesprochen hatte).
    Über diese Motive wurde hauptsächlich getratscht, und was die Person des Mörders angeht, so gab es verschiedene Mutmaßungen, die von mindestens drei Parteien vertreten wurden. Die meisten gehörten zur

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