Al Wheeler und das Callgirl
hatte ich den Eindruck, als führe er
eine Prozession an. Hinter ihm kam Doc Murphy und hinter dem Arzt zwei gewichtige
Streifenbeamte.
»Was ist denn los, zum Teufel ?« fragte ich.
Gleich darauf machten sich die
beiden Polizisten über mich her wie zwei Dampfwalzen. Als ich wieder nach Luft
schnappen konnte, lag ich ausgestreckt über Lavers ’ Schreibtisch,
meine Jacke war mir ausgezogen und ein Hemdsärmel hochgerollt worden. Die
Streifenbeamten hielten mich nach unten gepreßt, als sei ich das Prunkstück
eines Schmetterlingssammlers.
»Nur ruhig, Al«, sagte Murphy
mit berufsbedingt beruhigender Stimme. »Was Sie jetzt brauchen, ist ein bißchen
Schlaf .«
Erst als die Nadel durch die
Haut meines Arms gedrungen war, sah ich die verdammte Injektionsspritze in
seiner Hand!
»Sie hinterhältiger Quacksalber !« brüllte ich ihn an. »Warten Sie nur, Sie übler Leichenfledderer!
Ich werde Sie auf eine Lade im Leichenschauhaus fesseln und eine Obduktion an
Ihnen vornehmen, während Sie noch atmen !«
»Das klingt schon fast wieder
nach dem guten, alten vergnügten Wheeler, nicht wahr ?« sagte Murphy in mildem Ton.
Die beiden Streifenbeamten
lachten einstimmig, denn alles, was der Doc sagte, mußte ja komisch sein. Aber
irgendwas mußte mit dem Uhrwerk unter ihren blauen Uniformen nicht in Ordnung
sein, denn sie konnten gar nicht aufhören zu lachen. Der Lärm wurde immer lauter
und lauter, der Raum wurde zu klein, um all diesen immensen Lärm fassen zu
können, und begann sich verzweifelt um sich selbst zu drehen, um irgendwo einen
Fluchtweg zu entdecken. Ich war wirklich raffiniert. Aufmerksam behielt ich den
herumwirbelnden Raum im Auge, und in derselben Sekunde, als er durch ein
kleines blaues Loch in die dichte Wolke weißen Rauchs hinter ihm eintauchte,
sprang ich geradewegs hinterher.
7
Ich wachte zögernd auf mit dem
Gefühl, daß jemand seine Hände gegen meine Augäpfel preßte. Es kostete mich
erhebliche Anstrengung, die Lider zu öffnen. Eine Gestalt stand neben dem Bett.
»He, Lieutenant«, sagte eine
liebenswürdige Stimme, »wie fühlen Sie sich denn ?«
»So als ob ich gerade die
Silbermedaille im Sex-Freistilringen gewonnen hätte«, brummte ich. »Während all
die aussichtsreichen Bewerber sich um den letzten Platz balgen .«
Beifälliges Lachen war zu
hören. »Wie wär’s, wenn ich Ihnen ein bißchen Kaffee machte ?«
Die Stimme kam mir vage bekannt
vor. Ich blinzelte ein paarmal mühsam und konnte plötzlich das Gesicht deutlich
erkennen. Es war ein angenehmes Gesicht, das eines jungen Burschen von Mitte
Zwanzig. Er hatte dichtes, lockiges blondes Haar, glänzend blaue Augen, eine
Nase, die zwar einmal gebrochen, aber wieder leidlich instand gesetzt worden
war, und einen breiten, sinnlich wirkenden Mund über einem energischen,
kantigen Kinn. Die Uniform eines Streifenbeamten stand ihm gut, was allein
schon eine kleine künstlerische Leistung darstellte.
»Kenne ich Sie nicht von
irgendwoher ?« erkundigte ich mich.
»Natürlich, Lieutenant. Ich bin
der Streifenbeamte Stevens. Wir haben eine gemeinsame Bekannte, Toni del Guardo , erinnern Sie sich? Wie klein die Welt ist ?« Er grinste breit.
Das war sozusagen ein
Stichwort, alles kehrte wie ein Sturzbach in mein Gedächtnis zurück. Es mußte
meinem Gesicht anzusehen gewesen sein, denn Stevens Grinsen verschwand schnell.
»Ich hole Ihren Kaffee,
Lieutenant .«
Nachdem er aus dem Zimmer
gegangen war, richtete ich mich im Bett auf, wobei ich feststellte, daß es sich
um mein eigenes Bett handelte. Dann schwang ich die Füße über den Rand und
stand auf. Schmerzen hatte ich keine. Tatsächlich fühlte ich mich körperlich
ausgezeichnet. Selbst der Eindruck, in Watte gewickelt zu sein, verflüchtigte
sich allmählich. Ich nahm einen Morgenrock aus dem Schrank, zog ihn über und
ging in die Küche hinaus.
»He!« Stevens sah eine Spur
besorgt drein. »Der Doc hat nicht damit gerechnet, daß Sie so schnell wieder
auf dem Damm sein würden, Lieutenant .«
»Ich bin ganz okay«, sagte ich.
» Wieviel Uhr ist es ?«
»Ihre Uhr ist in Ihrer
Jackentasche .« Er blickte auf seine eigene. »Viertel
nach drei.«
Das helle Tageslicht verriet,
daß es Nachmittag sein mußte. »Was ist passiert, nachdem Doc Murphy mir die
Spritze gegeben hat ?«
»Sie kippten um. Man steckte
Sie in einen Krankenwagen und schickte mich mit, damit ich mich um Sie kümmere,
Lieutenant .«
»War das nicht gegen fünf Uhr
dreißig heute früh ?«
»So
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