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Al Wheeler und das Callgirl

Al Wheeler und das Callgirl

Titel: Al Wheeler und das Callgirl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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unangenehmer Gedanke auf.
    »Haben Sie vielleicht Angst vor
mir, Sheriff ?« fragte ich milde.
    »Angst vor Ihnen, Wheeler?« Er
verstrickte die Finger ineinander und preßte die Handflächen zusammen, um das
Zittern zu unterdrücken. »Das ist doch lächerlich. Warum sollte ich Angst vor
Ihnen haben ?«
    »Es ist aber so«, sagte ich
langsam. »Und bei Annabelle Jackson war es das gleiche. Wenn ich irgendwann früher
einmal auch nur ein Zehntel von dem zu Ihnen gesagt hätte, was ich heute nachmittag von mir gegeben habe, so hätten Sie mich
eigenhändig aus Ihrem Büro geworfen .«
    »Nun kommen Sie schon,
Lieutenant .« Sein Lachen erinnerte an das eines
sterbenden Schwans, der bei lebendigem Leib geschmort wird. »Es ist doch nicht
so schwierig, mit mir auszukommen .«
    »Bis zu diesem Augenblick
hätten Sie mich in diesem Punkt glatt täuschen können«, sagte ich
wahrheitsgemäß. »Doc Murphy hat doch nicht zufällig das falsche Medikament in
die Spritze aufgezogen oder? Ich meine, er hat mir nicht statt eines stark
wirkenden Beruhigungsmittels was völlig anderes verpaßt ?« Ich beugte mich auf meinem Stuhl vor. »Vielleicht irgendwas, mit dem noch
experimentiert wird? Etwas, das man bisher noch nicht an Menschen ausprobiert
hat, weil man nicht sicher weiß, ob es nicht eine Art Jekyll-Hyde-Syndrom
hervorruft?«
    »Wheeler! Was Sie für eine
absurde Fantasie haben !« Er riß das Taschentuch aus
seiner Brusttasche und fuhr sich damit heftig über das Gesicht, »Natürlich
nicht! Wir sind nur um Ihre Gesundheit besorgt — nach all dem Streß , der hinter Ihnen liegt .«
    »Die Protokollabschrift vom
Prozeß Stensen !« Ich erinnerte mich plötzlich. »Ist
sie inzwischen eingetroffen ?«
    »Aber ja!« Lavers schrie es beinahe vor Erleichterung und begann hastig in den Papieren auf
seinem Schreibtisch zu kramen. Er reichte mir einen prall gefüllten
Manilaumschlag. »Wollen Sie das Ganze nicht mit nach Hause nehmen und
durchlesen? Vielleicht enthält es die Hinweise, nach denen wir suchen .«
    »Danke. Vielleicht werde ich
genau das tun .«
    Annabelle Jackson tat, als ob
sie mich nicht sah, als ich aus Lavers ’ Büro trat,
aber das kaufte ich ihr nicht ab. Es mußte einen triftigen Grund für ihre
Reaktion geben. Eben hatte sie noch dagesessen und wie eine Wahnsinnige
getippt, jetzt drehte sie sich auf ihrem Stuhl zur Seite, preßte die Knöchel
aneinander, legte das Gesicht auf die Schenkel und umschlang mit beiden Armen
ihre Knie.
    Ich ging auf die Straße hinaus,
um mich in meinen Wagen zu setzen, der seit dem frühen Morgen an der Straße
parkte.
    Irgendwie hatte ich das häßliche Gefühl, möglicherweise von einer ansteckenden
Krankheit befallen zu sein, von der ich nichts wußte, dafür aber alle anderen
Leute.
    Ich kehrte in meine Wohnung zurück
und ließ mich nieder, eine Flasche Scotch neben mir und den Bericht vom Stensen -Prozeß vor mir. Als ich ihn durchgelesen hatte, war
es bereits dunkel geworden, und mein Magen statuierte ein Exempel, indem er
sich selbst zusammenzuknoten begann.
    Ich goß mir noch einen Drink
ein, um damit zu versuchen, die Hungergefühle zu unterdrücken, und konnte noch
immer nicht fassen, was ich da soeben gelesen hatte. Kein Wunder, daß der
Richter bissige Bemerkungen über die Verteidigungsmethoden hatte fallen lassen!
Bis zum letzten Viertel des Prozesses hatte es den Anschein gehabt, als ob
keine halbwegs vernünftige Jury auch nur im Traum hätte daran denken können,
Stensen schuldig zu sprechen. Dann, ganz plötzlich, schien Kingsley alles
Interesse verloren zu haben. Er ließ widerstandslos einige wahrhaft verheerende
Behauptungen des Anklägers und entsprechende Aussagen seiner Zeugen durchgehen.
Als einer der Zeugen der Verteidigung dem Staatsanwalt eine völlig andere
Geschichte erzählte als zuvor der Verteidigung, hatte Kingsley noch nicht
einmal eine Richtigstellung verlangt. Und das hatte sich im Verlauf des
Prozesses bei drei verschiedenen Gelegenheiten wiederholt. Mehrfach hatte der
Richter ihn direkt gefragt, ob er nicht Einspruch erheben wolle, aber Kingsley
hatte abgelehnt. Zweimal in der letzten Phase des Prozesses hatte ihm der
Richter nahegelegt, die Interessen seines Klienten besser wahrzunehmen. Für all
das gab es nur eine Erklärung: Kingsley hatte seinen Klienten absichtlich den
Wölfen zum Fraß vorgeworfen. Warum?
    Flüchtig fragte ich mich, ob
Stensen nun wohl in seiner Gefängniszelle saß und über das gleiche Problem
nachgrübelte.

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