Al Wheeler und das Callgirl
Dann klingelte das Telefon.
»Al? Hier ist Ed Sanger vom
Labor«, sagte eine vertraute Stimme. »Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen,
wie nahe uns die Sache mit Sergeant Polnik geht .«
»Schon gut«, sagte ich. »Ich
weiß es .«
»Einer der Jungens ist gerade auf etwas gestoßen. Wir nahmen Blutproben vom Boden des
Raumes in der Hütte mit, in dem Polnik umgebracht wurde .« Seine Stimme wurde lebhafter. »Wir haben sogar sehr viele Proben mitgenommen,
Al. Wir hätten die ganze Bruchbude mitgenommen und in Späne zerlegt, wenn es
was genützt hätte. Aber so haben wir uns auf die Blutproben beschränkt und sie
in jeder Hinsicht analysiert und klassifiziert. Alle gehörten sie der Gruppe 0
an, der Sergeant Polniks. Daher also die logische Folgerung, daß die Blutspuren
alle von ihm stammten.«
»Sie sind so ziemlich der beste
Dozent, den ich je am Telefon gehört habe, Ed«, sagte ich geduldig. »Aber wie wärs , wenn Sie jetzt zum Kern der Sache kämen, sofern es
einen gibt?«
»Wir sind vor zwei Minuten auf
eine Probe der Blutgruppe AB gestoßen !«
»Könnte es sich dabei nicht
vielleicht um einen Irrtum handeln ?« fragte ich
vorsichtig. »Hat sich nicht zufällig einer von euch Jungens mit einem
Reagenzglas in den Finger geschnitten oder so was Ähnliches ?«
»Es ist kein Irrtum«, erwiderte
er zuversichtlich. »Wir haben alles kreuz und quer und von oben nach unten
geprüft, bevor ich Sie jetzt angerufen habe. Halten Sie es für möglich, daß
Polnik den Mörder verletzt hat ?«
»Seinen Revolver hat er nicht
abgefeuert«, antwortete ich. »Danke für die Information, Ed, das war wirklich
eine Sensation .«
»Gern geschehen, Al«, sagte er
huldvoll.
»Haben Sie heute Doc Murphy
schon gesehen ?« fragte ich in möglichst beiläufigem
Ton.
»Zweimal.« Sanger schien
beunruhigt. »Wissen Sie, ob der Mann irgendein Problem hat ?«
»Warum fragen Sie ?«
»Er wirkte so nervös. Dauernd
blickte er über die Schulter zurück, als erwarte er irgendein Monstrum aus dem
Weltraum, das ihn plötzlich zu Formalinspray pulverisieren könnte .«
»Wirklich ?« sagte ich nachdenklich.
»Wie dem auch sei, ich muß
zurück in die Tretmühle. Bis später, Al«
»Schon gut, Ed«, sagte ich
zerstreut.
Zwei waren es gewesen, grübelte
ich, während ich den Hörer auflegte. Einer spielt den Köder im hinteren Zimmer,
der andere lauert im vorderen Raum darauf, bis sein Freund Polnik weit genug
den Flur entlanggelockt hat, damit er ihn von hinten anschleichen und ihm drei
Kugeln in den Hinterkopf jagen kann. Vielleicht hatte der Killer tatsächlich
aus Versehen seinen Partner angeschossen — mit einer Kugel, die Polnik verfehlt
hatte? Aber wie konnte man jemand aus einem Meter Entfernung verfehlen? Ich
schob diese Gedanken für den Augenblick beiseite, nahm erneut den Telefonhörer
ab und wählte die Nummer des Sheriffbüros.
»Doch nicht schon wieder Sie !« krächzte ich.
»Guten Abend, Lieutenant«,
sagte die milde Stimme des Streifenbeamten Stevens. »Es quietscht doch sicher
nicht, oder ?«
»Sie werden es schnell genug
erfahren, wenn es quietscht«, sagte ich. »Denn am nächsten Tag stehen Sie
bereits auf einer Kreuzung von insgesamt sechzehn Fahrbahnen aus vier
verschiedenen Richtungen. Wie lauten die letzten Meldungen über Kingsley ?«
»Ich sehe sofort nach .« Er war innerhalb von fünf Sekunden wieder am Telefon, wie
ich widerwillig anerkennen mußte. »Er und seine Frau haben vor ungefähr einer
Stunde das Haus per Taxi verlassen. Sie haben gerade ihr Abendessen im
Flamingo-Club bestellt, also wollen sie sich offenbar eine Nacht um die Ohren
schlagen .«
Ich überlegte kurz und sagte
>danke< bevor ich auflegte. Bestellung und Verzehr des gesamten Menüs im
nächsten Hühnergrill nahmen zwanzig Minuten in Anspruch, und ich hoffte, bis
zum Frühstück damit meinen Magen im Zaum halten zu können. Dann fuhr ich zu dem
zweistöckigen weißen Haus hinaus, parkte den Wagen auf der Zufahrt und
klingelte an der Haustür. Sie öffnete sich rund fünf Zentimeter weit, und ein
durch ein Brillenglas vergrößertes Auge wurde hinter dem Spalt sichtbar.
»Oh, guten Abend, Lieutenant.«
Die Tür flog auf, und Tyler spähte mich kurzsichtig und besorgt durch die
dicken Linsen seiner Brille an. »Leider sind Mr. und Mrs. Kingsley ausgegangen .«
»Das spielt keine Rolle«, sagte
ich gelassen. »Ich wollte mit Ihnen sprechen, Mr. Tyler .«
»Ja?« Sein Adamsapfel tat einen
Sprung. »Wollen Sie nicht
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