Al Wheeler und der falsche Mann
daß meine Kusine
einfach ekelerregend ist, Lieutenant? Ich meine, ihren nackten Körper so vor
Ihnen zur Schau zu stellen...«
»Ich... Uh!« Ich räusperte mich
nervös. »Ich glaube, ich werde mir einen Drink holen.«
Madeline drehte sich auf die
Seite, rollte sich wie ein Fötus zusammen und bedeckte ihr Gesicht mit beiden
Händen.
Carol blickte mit tiefer
Verachtung auf sie herab, dann sammelte sie die Kleidungsstücke ihrer Kusine
ein und ließ sie auf deren nackten Körper fallen.
»Wir gehen auf einen Drink in
die Küche«, sagte sie. »Wenn wir wieder hereinkommen, erwarte ich, daß du weg
bist, liebe Kusine. Falls nicht, werde ich dich persönlich ohne deine Sachen
auf die Straße hinauswerfen.«
Sie spazierte in die Küche, und
ich folgte ihr. Während ich frische Drinks zubereitete, herrschte Schweigen.
»Ich vermute, du findest, daß
ich da drinnen zu weit gegangen bin«, sagte Carol schließlich.
»Nun«, sagte ich wohlüberlegt,
»ich... Uh! Das heißt...«
»Wer, zum Teufel, glaubt sie,
daß sie ist? Ich bin zweiundzwanzig Jahre alt und kann verdammt gut selbst
entscheiden, wohin ich gehe und was ich mache. Weißt du, was ich glaube? Sie
war eifersüchtig. Weil ich ausgehen, mir einen Mann angeln und mit ihm bumsen
kann. Sie würde ihren rechten Arm dafür opfern, das gleiche tun zu können. Warum, glaubst du, umgibt sie sich mit Schwulen und geht auf diese
Weise kein Risiko ein? Wenn sie eine Lesbierin wäre, könne ich es noch
verstehen. Aber das ist sie nicht. Sie ist nicht einmal ein Neutrum. Sie ist
einfach etwas anderes.«
Ich trank einen Schluck Scotch
und bemühte mich wirklich sehr, intelligent dreinzuschauen.
»Und sie hat natürlich das
gemacht, was sie sich vorgenommen hatte«, sagte Carol mit mürrischer Stimme.
»Was bedeutet das schon
wieder?«
»Mir alles verdorben. Sie hat
uns beiden den ganzen Spaß verdorben. Ich kann sie so nicht alleinlassen. Wahrscheinlich
würde sie sich mit dem Kopf voran in den nächsten Kanal stürzen und aufs Meer
hinausgeschwemmt werden oder etwas dergleichen. Ich muß sie nach Hause bringen.
Am besten wartest du hier, bis wir verschwunden sind.«
»Schade«, sagte ich. »Aber ich
glaube, du hast recht.«
»Vielleicht ein anderes Mal.
Deine Couch hat mir sehr gefallen, Al Wheeler.«
Sie wandte sich ruckartig um
und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Ich blieb allein mit meinem Scotch. Eine
Weile hörte ich schwaches Stimmengemurmel, dann wurde die Eingangstür sanft
geschlossen.
Ich nahm meinen Drink mit ins
Wohnzimmer, das mir plötzlich als ein sehr einsamer Ort erschien. Als ich mich
auf die Couch setzte, dachte ich so bei mir, daß ein Mann nicht allein von
seinen Erinnerungen leben kann. Und warum, zum Teufel, hatte ich mir nicht die
restlichen Akten von Clem angesehen, solange ich die Chance noch dazu gehabt
hatte, anstatt sie erst jemanden stehlen zu lassen? Ich wünschte, ich hätte
eine Antwort auf die Frage gewußt.
Ich war immer noch mit diesem
Wunsch beschäftigt, als es erneut an der Tür klingelte. Das schien eine von
diesen verrückten Nächten zu werden, dachte ich, während ich mich müde zur
Eingangstür schleppte.
Ohne die Sonnenbrille hatte
Blanche Stevens weit auseinanderstehende tiefblaue Augen. Sie trug eine locker
gegürtete grüne Wildlederjacke über einer weißen Bluse und eine schwarze Hose.
Eleganz schien ihr Lebensinhalt zu sein.
»Sie müssen erschöpft sein,
Lieutenant«, sagte sie mitfühlend.
»Ich muß?«
»Ich habe gesehen, wie die
beiden sie vor wenigen Minuten verlassen haben«, erklärte sie. »Nach ihrem
Aussehen zu schließen, vermutete ich, Sie jetzt ein paar Zentimeter unter der
Decke schwebend vorzufinden.«
»Es war nicht das, was Sie sich
vorstellen«, sagte ich, »aber ich habe nicht vor, es Ihnen zu erklären.«
»Natürlich nicht«, sagte sie
eifrig. »Sex ist eine Sache, die man tut und nicht erklärt. Es stört Sie nicht,
wenn ich hereinkomme?«
»Ich glaube nicht«, brummte ich
widerwillig.
»Der galante Lieutenant.«
Sie hätte gern einen Scotch mit
Eis, sagte sie. Als ich mit den Getränken ins Wohnzimmer zurückkehrte, hatte
sie sich bequem auf einem Sessel eingerichtet und die Beine
übereinandergeschlagen. Ich reichte ihr einen Drink und trug dann meinen
hinüber zur Couch und setzte mich ihr gegenüber.
»Ich hatte schon früher am
Abend angerufen, aber leider waren Sie ausgegangen«, sagte sie. »Eine von den
beiden — ich nehme an, die Blonde? — war am Apparat und teilte
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