Al Wheeler und der falsche Mann
mir das mit.
Nun, ich hatte nichts Besseres zu tun und wollte unbedingt mit Ihnen reden.
Deshalb dachte ich mir, ich fahre einfach mal herüber und treibe mich ein
bißchen vor Ihrem Apartmentblock herum. Ich wollte nicht in irgend
etwas hineinplatzen. Wenn vor Mitternacht niemand Ihre Wohnung verlassen
hätte, wäre ich eben wieder nach Hause gefahren. Aber nachdem die zwei vor
wenigen Minuten gegangen sind...«
»Was, zum Teufel, wollen Sie, Mrs. Stevens?« unterbrach ich sie ungehalten.
» Heute
morgen waren wir schon bei Blanche«, stellte sie fest. »Erinnern Sie
sich nicht, Al?«
»Gut, was wollen Sie, Blanche?«
»Das klingt schon etwas
freundlicher.« Sie nippte geziert an ihrem Drink. »Ich mache mir Sorgen um
meinen Sohn.«
»So?«
»Sie scheinen ziemlich saurer
Stimmung zu sein, habe ich recht?« Die blauen Augen musterten mich ein paar
Sekunden lang kühl. »Vielleicht sollte ich etwas gleich zu Anfang klären, Al.
Ich bin nicht hergekommen, um Sie zu verführen. Offen gesagt — Sie sind zu alt
für mich. Zur Zeit mag ich sie gern sehr jung und auf dem Höhepunkt ihrer
sexuellen Leistungsfähigkeit, so um die Neunzehn herum. Das ist das optimale
Alter. Sie sind einer älteren Frau immer so dankbar, die sie ein bißchen
Erfahrung lehrt — besonders was so grundsätzliche Dinge anbelangt, wie zum
Beispiel, daß sie ihre Ladung nicht in den ersten zehn Sekunden verschießen
sollen. Ich denke, ich habe mich klar ausgedrückt.«
»Oh, ungemein, Blanche«,
brummte ich. »Ungemein!«
»Das beruhigt mich«, sagte sie.
»Tut mir leid, aber ich muß Ihnen eine Frage stellen: Macht es Ihnen eigentlich
mächtig Spaß, Frauen zu verprügeln?«
»Nein.«
»Ich war nur neugierig —
aufgrund dessen, wie die beiden gerade eben ausgesehen haben. Das Gesicht der
Blonden war ganz fleckig, und die Dunkelhaarige sah so aus, als hätte man sie
soeben durch eine Schnitzelmaschine gedreht.«
»Sie hatten einen handfesten
Streit«, erklärte ich kurz. »Ich war der unschuldige Zuschauer.«
»Einen handfesten Streit?« Ein
feines Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Ihretwegen? Wie prächtig
für Ihr Ego!«
Ich öffnete den Mund, um eine
Erklärung abzugeben, schloß ihn dann aber langsam wieder. Wie, zum Teufel,
sollte ich etwas erklären, das ich selbst nicht ganz sicher wußte. Und weshalb
sollte ich mir im übrigen überhaupt die Mühe machen, es
Blanche Stevens zu erklären?
»So etwas passiert laufend«,
sagte ich leichthin. »Sie sind in den letzten fünf Jahren die erste Frau, die
fähig ist, mir zu widerstehen. Wie kommt das? Sind Sie kurzsichtig oder etwas
Ähnliches?«
Sie ging auf meine Bemerkung
gar nicht ein und fuhr fort: »Während ich draußen in meinem Wagen wartete, sah
ich die Dunkelhaarige auftauchen. Sie hatte etwas an sich, das eine Saite in
mir zum Klingen brachte. Lou hat mir von diesem Mädchen erzählt, das er auf
einer Party, die in ihrer Wohnung stattfand, kennengelernt hat. Er hat sich
sehr über sie lustig gemacht. Zwar hat er die Worte nicht direkt gebraucht,
aber ich hatte so den Eindruck, daß sie sich selbst als Kleopatra der
Homo-Szene sieht.«
»Tatsächlich?«
»Er hat mir auch ihren Namen
gesagt.« Sie konzentrierte sich einen Moment lang. »Margaret Carmody ? Nein! Madeline Carmody .«
»Das Mädchen, das Nigel
Barretts Leichnam gefunden hat«, ergänzte ich.
»Und Sie sind ganz sicher, daß
sie ihn nicht umgebracht hat?« fragte sie beiläufig.
»Bisher bin ich mir überhaupt
keiner Sache ganz sicher. Machen Sie sich immer noch Sorgen wegen Ihres
Sohnes?«
Sie nippte wieder an ihrem
Drink. »Ja, ich mache mir Sorgen um Lou. Als ich der Tatsache ins Auge sehen
mußte, daß er schwul ist, hat mich das bekümmert, aber nicht besonders stark.
Er machte mich für den Tod seines Vaters verantwortlich, und von da an haßte er
mich. Er wird sich also nie für Frauen interessieren, weil seine Mutter eine
Frau ist.«
»Sie haben das alles ganz
allein herausgefunden?«
»Er hat mir niemals direkt
mitgeteilt, daß er schwul ist. Ich glaube, er wartet darauf, daß ich ihn frage,
damit es zu einer großen Szene kommt. Doch ich habe nun schon so lange die
dumme, vernarrte Mutter gespielt, daß es bereits zu einer Gewohnheit geworden
ist. Bislang habe ich ihn noch nicht gefragt. Vielleicht werde ich es nie tun.
Das ärgert ihn. Was mich nun im Zusammenhang mit diesem Mord beunruhigt, ist
die Frage: Benimmt er sich immer auffallender und extravaganter, um
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