Al Wheeler und der tote Partygast
nicht!« sagte sie.
»Was?«
»Mich so ansehen«, bat sie
kläglich. »Ich bin nicht sicher, ob ich Gegenstand Ihrer sinnlichen Begierden
bin, oder ob Sie sich gerade überlegen, wie ich als Leichnam aussehen würde.«
»Sie wecken den Poeten in mir.
Würde ich Sie noch mehr begehren, wenn Sie in einem Kühlfach wären?«
»Ich sage Ihnen etwas, Al
Wheeler«, entgegnete sie übellaunig, »Sie fangen an, der Philosophie gute
Seiten abzugewinnen.«
Ich ging meinen inzwischen
schon alten Kumpel Leon Getler besuchen. Der ältliche Vorzimmerdrachen schenkte
mir ein spärliches Lächeln, als ich mich seinem Schreibtisch näherte.
»Ein Klient ist bei ihm,
Lieutenant«, sagte sie. »Wollen Sie warten?«
»Wie lange?«
»Ich glaube, nicht mehr lange.
Er ist jetzt schon über eine Stunde bei ihm.«
»Gut.«
Ich setzte mich auf einen
unbequemen Stuhl und fand ein jahrealtes Heft eines Nachrichtenmagazins, das
mir die Zeit vertrieb.
Etwa zehn Minuten später
öffnete sich die Tür von Getlers Büro. Er kam mit seinem Klienten heraus. Ich
erkannte den gemeinen Ausdruck im Gesicht seines Klienten augenblicklich, und
die finstere Miene, die er rasch aufsetzte, verriet, daß er mich erkannte.
»Vielleicht sollte ich damit
beginnen, Miete von Ihnen zu fordern, Lieutenant«, sagte Getler müde.
»Ich habe Ihnen immer wieder
gesagt, daß wir mit Treffen dieser Art aufhören müssen«, erwiderte ich. »Die
Leute fangen an, zu reden. Nett, Sie wiederzusehen, Mr. Blake.«
»Lieutenant.« Blake nickte und
steuerte auf die Korridortür zu.
»Ich würde mich gern noch heute
mit Ihnen unterhalten«, sagte ich. »Wann immer es Ihnen paßt.«
Er blieb stehen und sah über
eine Schulter zurück. »Ich habe heute ein wirklich umfangreiches Programm. Wie
wär’s mit sechs Uhr heute abend im Hotel?«
»In Ordnung.«
»Lassen Sie uns in mein Büro
gehen«, sagte Getler resigniert.
So gingen wir also in sein
Büro, und er setzte sich hinter seinen hellen Schreibtisch. Ich nahm ihm
gegenüber Platz. Er bearbeitete mit einer Fingerspitze inbrünstig seinen
getrimmten Schnurrbart, als wäre er sein Allerliebstes und hätte ein
Eigenleben.
»Ich war das letzte Mal etwas
schroff«, bemerkte er schließlich. »Ich entschuldige mich, Lieutenant. Ich
hatte einen schlimmen Tag hinter mir.«
»Schon gut. Sie kümmern sich sowohl
um Hamers als auch um Pollocks Nachlaß, stimmt das?«
»Ja.« Er nickte rasch.
»Natürlich habe ich in den Zeitungen über den armen Craig gelesen. Eine
schreckliche Sache, Lieutenant. Und Sie selbst hätten auch dabei Ihr Leben
lassen können.«
»Aber nicht ich, sondern der
andere hat seins verloren«, erinnerte ich ihn geduldig. »Was passiert mit den
hinterlassenen Sachen?«
»Ich habe heute morgen, bevor
Jon Blake kam, einen kurzen Blick hineingeworfen«, sagte er. »Wenn Sie wollen,
können Sie sie sehen — die Testamente, meine ich.«
»Erzählen Sie mir es rasch!«
»Einer hat dem anderen alles
hinterlassen, was er besitzt — es sei denn, der Überlebende stirbt ebenfalls
innerhalb der nächsten zwei Wochen. Diese Klausel macht somit die vorhergehende
Passage ungültig. Hamer gehörte der Laden und Pollock das Haus. Da Pollock nun
auch tot ist, erbt den Laden das Mädchen, das dort arbeitete. Janie Larsen,
glaube ich?«
»Sie scheint ein nettes Mädchen
zu sein«, sagte ich.
»Und das Warenlager und alles,
was so dazugehört«, fuhr er fort. »Das Haus erbt irgendein Cousin von Pollock,
der in Wisconsin lebt. Ich glaube, sie empfanden beide wirkliche Zuneigung nur
füreinander und waren an anderen Menschen nicht sehr interessiert.«
»Es sieht ganz so aus«, sagte
ich. »Welchen Wert hat der Besitz der beiden?«
»Das ist so aus dem Handgelenk
schwer zu sagen. Das Haus dürfte auf dem freien Grundstücksmarkt so um die
neuntausend Dollar wert sein, nehme ich an. Der Laden war finanziell ein
Verlustgeschäft, also muß man den Grundstückswert als den reellen Wert
betrachten. Und die Waren?« Er hob die Schultern. »Das meiste ist Trödel, und
ich würde keinen Gedanken daran verschwenden, was es bei einer Versteigerung
einbringen könnte.«
»Sie waren Hamers Anwalt, aber
Sie haben Minerva Trent abgeraten, irgendwelches Geld bei ihm zu investieren«,
sagte ich.
»Dadurch entstanden keine
Interessenkonflikte«, erklärte er rasch. »Ich habe Hamer ganz und gar nicht in
irgendwelchen Geschäftsangelegenheiten vertreten. Er hatte sein Testament bei
mir hinterlegt, und ich habe ihm
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