Al Wheeler und die Besessene

Porträt des vergessenen Pariser Malers über dem Kamin glichen. Das
war auch der Grund, weshalb mein Unterbewußtsein mir
den Streich gespielt und ich mir eingebildet hatte, diesen plötzlichen
funkelnden Schimmer in den Augen der Montespan zu
erblicken.
    »Ich habe mich von der
schwarzen Magie zurückgezogen«, sagte Arist in halbflüstemdem Ton »Ich befasse mich nicht länger damit,
über Leben und Tod zu entscheiden !« Wieder funkelte es
in der Tiefe seiner Augen, und dann brach er in schallendes Gelächter aus.
    »Ich war früher in der
Versicherungsbranche tätig, Lieutenant .«
    »Das war meine Tante auch, nur
wurde uns das erst später klar«, vertraute ich ihm an. »Mit seinem gebrochenen
Bein hatte dieser Metzger nicht mehr die allergeringste Chance, und sie liebte
ihn binnen eines Jahres zu Tode, kassierte zwanzigtausend Dollar
Lebensversicherung und das letzte, was wir hörten, war, daß sie irgendwo
südlich von Tijuana einen >Stierkämpferstall< betrieb.«

4
     
    Auf dem Rückweg hielt ich es nicht
mehr länger aus und hielt an, um einen Hamburger und eine Tasse Kaffee zu mir
zu nehmen. Der Hamburger war beinahe roh — zehn Sekunden weniger auf dem Grill,
so überlegte ich, und er hätte sich aufgebäumt und gebrüllt, gebellt, gemiaut , gegrunzt und gezwitschert, alles auf einmal. Aber
der nagende Hunger wurde durch das nagende Gefühl einer Magenverstimmung
ersetzt, die ich resolut als Fortschritt zu betrachten gewillt war.
    Es war sechs Uhr zehn, als ich
ins Büro des Sheriffs zurückkam, das einen irgendwie verlassenen Eindruck
machte, als ob jedermann das Weite gesucht hätte, weil etwas in Erfahrung
gebracht worden war, was ich noch nicht wußte. Dann erblickte ich ein bekanntes
Gesicht, und mein gestörter Magen nahm seinen Kampf mit dem Hamburger wieder
auf.
    Annabelle Jackson, die
Sekretärin des Sheriffs und honigblonder Gegenstand meiner vergeblichen
Wünsche, trat aus ihrem Büro und blieb, als sie mich sah, plötzlich stehen.
    »Na, da schlag einer lang hin!
Der Mensch ist wirklich schon da«, sagte sie in einer grotesken Parodie ihres
eigenen, weichen, gedehnten, attraktiven südlichen Akzents.
    »Annabelle, mein Honigtöpfchen,
ich habe einen langen harten Tag hinter mir«, sagte ich in flehendem Ton. »Es
ist schon schlimm genug, daß Sie diese Bluse tragen. Sie wissen doch, diese
Kombination aus rosa Seide und Ihnen bringt mich jedesmal glatt um den Verstand .«
    Sie lächelte zufrieden und
holte tief Luft. Ich sah zu, wie sich die Seide erst glättete und sich dann
hilflos bis zum Punkt des Zerreißens straffte. Aber der knackende Laut rührte
nur von meinen aus den Höhlen springenden Augen her. Annabelle atmete langsam
aus, während ich versuchte, mit dem Daumen meine Augäpfel in ihre normale Lage
zurückzubefördern.
    »Es hat eine Zeit gegeben, in
der Sie mir vertraut haben«, murmelte ich mit verzagter Stimme. »Das war, bevor
Sie das kalifornische Klima korrumpiert hat und Sie ein schließlich mißtrauisches Gemüt bekamen. Es hat eine Zeit gegeben, als
ich Sie zum Abendessen einlud und Sie die Einladung beglückt annahmen, weil Sie
wußten, daß ein Mann wie ich damit keinerlei andere Absichten verbindet .«
    »Das ist nur beim ersten Male
geschehen, Al«, sagte sie liebenswürdig, »bevor ich Ihre Wohnung mit der
überdimensionalen Couch gesehen hatte, auf der ein Mädchen jedesmal bis an die Knie versinkt, wenn sie davonzulaufen versucht — und die
Hi-Fi-Anlage mit fünf Lautsprechern an den Wänden, die das Geräusch ihrer
verzweifelten Hilfeschreie ersticken! Erst am nächsten Morgen, als ich unter
die Dusche ging und anfing, die blauen Flecken zu zählen — begann sich in mir
ein häßliches und mißtrauisches Gefühl zu regen .«
    »Was für blaue Flecke ?« schnaubte ich ungläubig.
    »Drei da, wo sie jeder sehen
konnte«, sagte sie.
    »Dann haben Sie sich eben Ihr Schienbein
an der Treppe angestoßen«, sagte ich spöttisch.
    »Und neunzehn da, wo sie ganz
entschieden niemand sehen konnte«, fuhr sie mich an.
    Ich überlegte, daß es keinen
Sinn hatte, mich mit ihr zu streiten, denn ich hatte heute keinen guten Tag.
Fünf schwankende Schritte brachten mich zum nächsten Stuhl, und ich sank
dankbar darauf. Annabelle hievte ihre entzückende Hinterfläche auf die Kante ihres Schreibtischs, schlug die Beine übereinander und
betrachtete mich mit einem entnervenden Funkeln in den Augen.
    Auf diese Weise war meine
Situation schwierig. Ich überlegte, daß ich, wenn ich