Al Wheeler und die gespenstige Lady
meines
Gesichtsausdrucks zusammen. »Ich weiß, es ist schwierig für Sie — einen
Außenseiter — , das zu begreifen, Lieutenant. Aber Sie
müssen zugeben, daß Sie es hier mit übernatürlichen Kräften zu tun haben .«
Ben Harveys ganzer Körper
schüttelte sich plötzlich in polterndem Gelächter. »Er tut mir leid, Ellis«,
keuchte er. »Aber all diese ganzen Jahre harten Trainings im Umgang mit der
Wirklichkeit bedeuten jetzt nicht das allergeringste. Stimmt’s, Lieutenant ?«
»Es bedeutet im Augenblick
sogar eine ganze Menge für mich«, sagte ich, der Wahrheit entsprechend. »Wenn
der Zeitpunkt erreicht ist, an dem ich glaube, daß sich der Geist eines
Mädchens, das vor mehr als hundert Jahren gestorben ist, in Gestalt eines
grauen Wolfes wieder auftaucht und Slocombes Gurgel
herausreißt, bin ich reif für die nächste Gummizelle.«
»Es gibt eben einige Dinge, die
Sie einfach akzeptieren müssen, selbst wenn sie weit außerhalb Ihrer eigenen
Erfahrungen liegen, Lieutenant«, sagte Ellis sachlich. »Sie müssen sie
akzeptieren, weil sie die einzige mögliche Erklärung bieten .«
»Inzwischen bleibe ich bei
meiner Theorie, daß jemand in diesem Hause Slocombe umgebracht hat«, sagte ich. »Lassen Sie uns noch einmal auf den Schrei um elf
Uhr neunundfünfzig zurückkommen: Sie waren also alle drei zu diesem Zeitpunkt
in verschiedenen Zimmern. Ja?«
Wieder betrachteten sie
einander bedächtig, und wieder nickten sie unisono.
»Was taten Sie, als Sie den
Schrei hörten ?« fragte ich Farrow.
»Ich rannte die Treppe hinauf
zu dem Zimmer«, sagte er. »Martha war bereits dort, schrie wie eine Wahnsinnige
und hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür, während Justine sie zu beruhigen suchte. Ich half Justine , Martha in
ihr Zimmer zurückzubringen, und traf, als ich wieder herauskam, Ellis und Ben
vor Slocombes Tür stehend an. Wir rüttelten an der
Klinke, aber die Tür war natürlich verschlossen, und wir hatten keine
Möglichkeit, sie aufzubrechen —«
»Haben Sie’s versucht ?«
Seine Gesicht rötete sich schnell.
»Nun, nein —«
»George wollte es versuchen«,
brummte Ben mitfühlend. »Aber unser Harvey wollte auf keinen Fall in das Zimmer
hineingehen, solange möglicherweise die Graue Dame noch anwesend war! Ich sagte
zu George, das beste wäre, er riefe die Polizei an
und ließe sie die Sache in die Hand nehmen .«
Ich hörte ein leises Rascheln
hinter mir, drehte den Kopf und sah Justine auf mich
zukommen.
»Ich habe die arme Martha ins
Bett gebracht«, sagte sie gelassen. »Sie schläft jetzt wieder fest .«
Farrow sprang eifrig auf und
schob ihr einen Sessel hin. Sie sank anmutig hinein, faltete die Hände im Schoß
und sah mich erwartungsvoll an.
»Haben Sie irgendwelche
Fortschritte gemacht, Lieutenant ?«
»Ich weiß nicht recht«, sagte ich.
»Bis jetzt sieht es so aus, als hätten Sie alle eine gleich gute Gelegenheit
gehabt, Slocombe umzubringen .«
Ellis blickte mich mehr besorgt
als zornig an. »Währen er sich hinter einer sechs Zentimeter dicken Tür aus
solidem Eichenholz aufhielt, Lieutenant? Hinter einer Tür, die von innen
verschlossen war?«
»Darüber werde ich mir den Kopf
zerbrechen, wenn es soweit ist«, knurrte ich. »Nach der Gelegenheit kommt das
Motiv. Wer konnte also an Slocombes Tod interessiert
sein? — außer Farrow, meine ich .«
Georges Augen quollen hervor,
als ob in seinem Kopf ein Hebel angesetzt worden wäre. »Ich ?« quiekte er. »Weshalb sollte ich an Slocombes Tod
interessiert sein ?«
»Sie wollten doch beide Martha
heiraten, oder nicht ?« brummte ich. »Nun, nachdem Slocombe tot ist, bleibt ihr nicht mehr viel Auswahl. Nicht
wahr?«
»Lassen Sie sich durch den
Lieutenant nicht aus der Ruhe bringen, George«, rief ihm Ben Harvey zu. »Der
arme Kerl versucht nur, auf seine Art seine Pflicht zu tun .«
»Weiß niemand ein Antwort auf meine Frage? Wer außer Farrow konnte an Slocombes Tod interessiert sein ?« wiederholte ich.
Ellis schüttelte traurig den
Kopf. »Keiner von uns hatte irgendeinen Grund, dem armen Jungen Schlechtes zu
wünschen, Lieutenant. Ganz im Gegenteil. Ich gebe zu, daß ich George als
Bewerber um Martha vorgezogen habe, aber die Gefahr, in der Slocombe durch den Familienfluch schwebte, empfand ich als weit drohender. Ich versuchte
— wir alle versuchten unzählige Male, ihn zu warnen, aber er war leider ein
dickköpfiger junger Bursche .«
»Vielleicht könnte man das zu
seinem Epitaph erheben«, sagte ich.
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