Al Wheeler und die letzte Party
zwei, als ich den Healey vor dem Büro des Sheriffs
parkte. Der Gedanke an das Mittagessen war zu verlockend, und ich überlegte
mir, daß eine weitere halbe Stunde sich die Wut des Sheriffs auf mich
wahrscheinlich kaum vergrößern würde. Ich schlug also den Umweg zum Drugstore
um die Ecke ein und ließ mir nach eigenen Rezepten ein Sandwich herrichten.
Dazu trank ich Kaffee.
Annabelle
Jackson, der Stolz des Südens, saß hinter ihrem Schreibtisch und starrte voll
zärtlicher Bewunderung auf ein Foto mit der Widmung eines Filmschauspielers.
»Hallo,
Annabelle, meine Süße«, sagte ich. »Wie geht’s heute der rechten Hand des
Sheriffs?«
Annabelle
Jackson starrte noch immer unbeirrt auf das Foto. »Bitte, verlangen Sie nicht,
daß ich Sie ansehe, Al«, sagte sie geistesabwesend. »Der Vergleich würde
unerträglich sein.«
»Was
hat er denn bloß, was ich nicht habe?« fragte ich verletzt.
»Stellen
Sie die Frage lieber umgekehrt«, sagte sie mit süßer Stimme, »und die Antwort
lautet: Arterienverkalkung.«
»Immer
diese altmodische Höflichkeit bei Ihnen«, sagte ich. »Ich sehe Sie im Geist vor
mir — in Weiß gekleidet, in der Hand halten Sie einen großen Hut, mit Blumen
und Gemüse darauf, und lächeln, während im Hintergrund die Blätter der
Magnolien braun werden und die Blüten welken und absterben.«
Aber
sie hatte nicht einmal zugehört — sie befand sich weit weg in ihrer heimlichen
Traumwelt mit diesem Burschen. Ich machte mir Sorgen um ihn. Er hatte ein
nettes, saubergeschnittenes Gesicht, und ich fragte mich, ob er über genügend
Erfahrung verfüge, um mit Annabelle Jacksons Traumwelt fertig werden zu können.
Schließlich weiß man ja, wie heißblütig die Mädchen aus den Südstaaten sind.
In
Gedanken versunken betrat ich das Büro des Sheriffs, schloß die Tür hinter mir
und starrte sie ein, zwei Sekunden an, während ich versuchte, mir die Welt
vorzustellen, von der Annabelle träumte. Natürlich nur diesem Schauspieler
zuliebe. Ich persönlich war ja nicht interessiert.
»Willkommen
zu Hause, Wheeler!« dröhnte eine herzhafte Stimme an mein Ohr. »Und wie war’s
in New York?«
»Wie?«
Ich drehte mich um und blickte verständnislos auf den freundlich lächelnden Lavers .
»Oh,
Irrtum meinerseits«, sagte er schwerfällig. »Lassen Sie es mich noch mal
versuchen. Willkommen zu Hause, Wheeler! Wie war’s in Miami?«
»Sheriff«,
antwortete ich, sogleich auf meiner Hut, »Sie wollen mich wohl durch den Kakao
ziehen?«
»Aber
nein«, sagte er. »Gestern um Mitternacht habe ich Sie mit der Untersuchung
eines Mordfalles beauftragt, und Sie kehren« — er blickte auf seine Uhr —,
»genau vierzehn Stunden und acht Minuten später zurück. Sie müssen doch
irgendwo gewesen sein — vielleicht in Mexiko unten?«
»Ich
habe Ermittlungen angestellt«, antwortete ich. »Genau wie Sie es mir
aufgetragen haben, Sheriff.«
Rote
Flecken traten auf sein Gesicht, typischer letzter Gruß der Herzkranzgefäße vor
dem Infarkt.
»Wheeler!«
brüllte er. »Sie aufsässiger, verlogener, hinterhältiger, unfähiger,
schwachsinniger —«
» Lieutnant !« ergänzte ich hilfsbereit.
»Haben
Sie was mitgebracht?« fragte er erwartungsvoll. »Zum Beispiel den Namen des
Mörders und stichhaltige Beweise, um Ihre Behauptungen zu untermauern?«
»Nichts
dergleichen«, sagte ich in bedauerndem Ton. »Wie steht es bei Ihnen?«
» Polnik hatte so viel Grips, die Briefe mitzubringen«,
brummte er. »Sie wurden alle auf derselben Schreibmaschine geschrieben — auf
Barbara Arnolds Maschine.«
»Wie
steht’s mit Fingerabdrücken?« fragte ich ohne viel Hoffnung.
»Die
Fingerabdrücke von Judy Manners — und Ihre«, sagte
er. »Außerdem eine Menge verschmierter Tapser .«
»Da
ist dieser Johnny Kay — der in einem der Briefe als Hauptleidtragender bezeichnet
wird«, sagte ich. »Vor langer Zeit war er der Freund von Judy. In Vietnam
gefallen, sagt sie. Ich glaube, wir sollten —«
»Dieselbe
Geschichte habe ich heute morgen von ihr gehört«,
unterbrach mich Lavers . »Ich habe bei der Air Force
nachgefragt. Er ist tatsächlich gefallen. Sechs Augenzeugen haben gesehen, wie
sein Flugzeug in der Luft explodierte.«
»Ein
Verdächtiger weniger«, sagte ich.
Lavers zündete sich eine Zigarre an und kaute wie
wild auf ihr herum. »Wissen Sie, als ich Sie von der Mordkommission in mein
Büro versetzen ließ, glaubte ich, daß Sie für mich arbeiten würden.«
»Tu
ich auch, Sir, tu ich auch«,
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