Al Wheeler und die letzte Party
rechten Hand
trug er eine Reitpeitsche, die er während des Gehens munter durch die Luft
sausen ließ.
»Ich habe gar nicht gewußt, daß
es hier Pferde gibt«, sagte ich.
»Es gibt auch gar keine«, sagte
Judy gleichmütig, »und wenn, so würde sich Rudi nicht in ihre Nähe wagen. Vor
etwa einem Jahr hat er einen Wildwestfilm gedreht, und wenn er jetzt ein Pferd
auch nur hört, kriecht er unter die nächste Couch und versteckt sich, bis es
wieder verschwunden ist!«
Er erblickte uns und winkte
munter mit der Gerte.
»Morgen, Wheeler!« Der joviale,
herzhafte britische Akzent, den er anschlug, war untadelig.
Er kam, das freundliche Grinsen
wie ins Gesicht geklebt, unter das Vordach. »Wie geht’s, wie steht’s heute morgen ? Was macht Ihr treuer Gehilfe — mein guter
Freund Polnik ?«
»Er schmort im eigenen Saft«,
sagte ich grob.
»Na so was!« Er runzelte die
Stirn und schüttelte traurig den Kopf. »Schlimm, schlimm, wie?«
»Rudi«, sagte Judy mit ruhiger
Stimme. »Gibst du mir für einen Augenblick deine Reitpeitsche?«
Er blickte sie zärtlich an.
»Mein kleines Frauchen!« sagte er ehrerbietig. »Wie beruhigend es für einen
Mann ist, zu wissen, daß eine treue, liebende Frau auf ihn wartet, wenn er von
draußen heimkehrt.« Er machte eine vage Armbewegung in Richtung des Strandes,
der sich vor meinen Augen in eine unendliche, weglose Sahara verwandelte,
während leise eine geheimnisvoll drohende, fernöstliche Melodie ausklang,
unterbrochen von dem Klang der Kamelglocken.
»Die Peitsche, Rudi«, erinnerte
ihn Judy geduldig.
»Oh, entschuldige, Liebling!«
Sein scharfes Auge, das schon zu so manchem fernen Horizont hinübergespäht
hatte, richtete sich liebevoll auf das kleine Frauchen. »Da hast du sie.«
Judy nahm ihm die Peitsche aus
der Hand und belancierte sie eine kurze Weile
abwägend auf der Handfläche. Dann trat ein starrer Blick in ihre Augen.
»Die treue, liebende Frau!«
wiederholte sie mit mühsam beherrschter Stimme. »Und was ist mit dem treulosen,
betrügerischen Ehemann?«
»Wie?« Rudi zuckte sichtlich
zusammen, dann blickte er sie an, und ein Ausdruck von Panik trat in seine
Augen. »Was hast du gesagt?«
Die Reitgerte zerschnitt
pfeifend die Luft, und es knallte wie ein Revolverschuß ,
als sie auf seine Schultern klatschte.
»Ich werde dir mit Sandra Shane
helfen!« tobte Judy. »Du elender, betrügerischer Kriecher!« Ein weiterer Knall,
und Rudi heulte vor Schmerz auf. Dann suchte er in raschem Galopp das Weite, während
Judy hinter ihm herrannte und beim Laufen mit der Gerte wütend auf ihn
einschlug. Interessiert sah ich zu, wie sie hinter der Garage verschwanden und
kehrte dann ins Haus zurück.
Polnik mit seinem fantastisch
funktionierenden Stoffwechsel machte einen völlig nüchternen Eindruck, als ich
an der Bar ankam.
»Hab’ ich nicht jemanden
schreien hören, Lieutnant ?« fragte er.
»Das war bloß die übliche
Begrüßung«, sagte ich.
»Kann ich was für Sie tun, Lieutnant ?« fagte er mit
eintöniger Beharrlichkeit.
»Allerdings«, sagte ich. »Sie
können helfen, einen Drohbrief zu schreiben.«
»Was wollen Sie schreiben, Lieutnant ?«
»Sie müssen doch auch schon mal
Drohbriefe geschrieben haben«, sagte ich aufmunternd.
» Lieutnant «,
sagte er schwerfällig. »Es gibt zwei Gruppen von Menschen, und ich gehöre zu
der, die Drohbriefe erhält. Und alle wollen dasselbe von mir — Geld!«
»Ich weiß, was Sie damit
meinen, Sergeant«, sagte ich mitfühlend. »Aber diesmal werden Sie bei der
anderen Gruppe sein. Steht diese Schreibmaschine noch im Zimmer der Arnold?«
»Ja«, antwortete er. »Ich
schlafe in dem Zimmer.«
»Dann gehen wir«, sagte ich.
»Ich möchte nicht, daß uns jemand mitten in der Arbeit überrascht. Rudi und
seine ihn über alles liebende Ehehälfte spielen irgendwo draußen Fangen, aber
selbst wenn er durchhält — sie bestimmt nicht. So wie sie gebaut ist, wird sie
schnell außer Atem sein.«
Wir verließen das Wohnzimmer
und gingen durch das Haus in den Raum, der zu ihren Lebzeiten Barbara Arnold
gehörte. Ich setzte mich an den Schreibtisch, stellte die Schreibmaschine vor
mich hin und zündete mir eine Zigarette an. In der zweiten Schublade von oben
fand ich eine Schachtel mit weißen Postkarten, nahm eine heraus und spannte sie
in die Maschine ein.
Ein kleiner Stoß ungeöffneter
Post lag auf dem Schreibtisch. Ich ging sie rasch durch. Es waren Kontoauszüge
und Belege, alles uninteressante Sachen, was
Weitere Kostenlose Bücher