Al Wheeler und die Nackte
»So schnell wollte ich damit eigentlich nicht
herausplatzen.«
»Wie bitte?« sagte ich.
»Ich brauche dringend einen
Drink«, sagte sie und stand auf. »Halten Sie mit, Lieutenant?«
»Scotch auf Eis, einen Schuß
Soda«, sagte ich.
»Gott sei Dank.« Sie strebte
der Bar zu. »Einen Augenblick lang habe ich gefürchtet, Sie könnten sich
vielleicht so aufführen wie diese blöden Polypen im Fernsehen.« Sie stellte Gläser
hin und begann einzuschenken. »Sie sind offenbar ein Mann von Welt,
Lieutenant.« Ihre blauen Augen streiften mich mit einem schnellen, geübten
Blick. »Ich bin fünfunddreißig, also in der Blüte meines Lebens und geschieden.
Die Abfindung war reichlich, aber ich habe nicht die Absicht, es erneut mit
einer Ehe zu versuchen. Trotzdem habe ich von Zeit zu Zeit ein entschiedenes
Bedürfnis nach männlicher Gesellschaft. Sie verstehen?«
»Und einer dieser Zeitpunkte
war gestern nacht ?«
Sie nickte. »Er sei Rancher,
behauptete er. Er wollte die Nacht über in Pine City
bleiben und seine verheiratete Schwester besuchen. Zwei Drinks später kam er zu
dem Entschluß, auf den besagten Besuch zu verzichten.« Sie schob mir den Drink
über die Bar zu. »Ich wollte, ich könnte mich an seinen Namen erinnern.«
»Er verließ Sie heute früh?«
»Er wollte irgendwohin gehen«,
sagte sie aufschlußreich. »Genau genommen verschwand er gegen fünf Uhr morgens.
Ich lasse mir immer schon um sieben Uhr dreißig das Frühstück bringen, denn ich
bin ein Frühaufsteher. Meinen Schlaf hole ich am Nachmittag nach. Meistens
wenigstens.« Sie hob das Glas und nahm einen tiefen Schluck. »Heiliger Bimbam —
er war wirklich der akrobatische Typ eines Ranchers und irgendwann gegen
Mitternacht fand ich, ich hätte ein bißchen Abkühlung nötig. Also ging ich auf
den Balkon hinaus.« Sie grinste plötzlich. »Zufällig hatte ich zu dem Zeitpunkt
keinen Fetzen am Leib, und als ich hinauskam, sah ich, daß die Suite nebenan
bewohnt war. Die Lichter brannten. Ich spähte schnell hinüber, um zu sehen, ob
nicht zufällig jemand seinerseits zu mir herübersah.«
»Und?«
»Es war gespenstisch.« Sie
trank noch einen Schluck. »Die Glastür zum Balkon stand offen und, wie gesagt,
innen brannte Licht. Ich sah diese magere Blonde, völlig nackt, und einen
Burschen, der bei ihr war.« Sie schloß flüchtig die Augen. »Sie werden es mir
nicht glauben, Lieutenant. Er war ebenfalls nackt und trug eine schwarze Maske.
Es war faszinierend.«
»Was taten die beiden?«
»Sie standen lediglich da und
redeten, wodurch das ganze irgendwie noch gespenstischer wurde.«
»Konnten Sie etwas von dem, was
sie sprachen, verstehen?«
»Ein bißchen, aber es ergab
keinen Sinn. Die Blonde sagte etwas wie, es sei ihr ganz egal, wie sie es
machten, aber wenn nicht geschähe, was sie wollte, würde sie alles haushoch
auffliegen lassen. Dann wandte der Kerl mit der Maske ein, es müsse da auch
noch eine andere Methode geben, und sie erwiderte, es gäbe keine.« Sie zuckte
die Schultern. »Das war alles. Mein Rancher schlich sich an mich heran, kniff
mich ins Hinterteil und zerrte mich wieder hier herein. Danach machten wir da
weiter, wo wir, bevor ich auf den Balkon ging, aufgehört hatten.«
»Was für eine Stimme hatte der
Mann nebenan?«
»Eine gedämpfte«, antwortete
sie prompt. »Er trug eine Maske, die Kopf und Gesicht völlig bedeckte. Ich
konnte mit knapper Not verstehen, was er sagte.«
»Wie groß war er? Dünn oder
dick?«
»Sie erwarten wohl exakte
Antworten, was?« fragte sie hilflos. »Ich weiß nicht, wie groß er war.
Durchschnittlich, denke ich. Weder dünn noch dick.« Ihr Gesicht erhellte sich
flüchtig. »Die Maske war geformt wie der Kopf eines Ziegenbocks.«
»Halten Sie es für möglich, daß
er so was wie ein Satansanhänger war?«
»Wer weiß? Aber sie
unterhielten sich lediglich miteinander, und allem Anschein nach hatten sie
vorher auch nichts anderes getan.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
Sie trank ihr Glas leer und
begann sich erneut einzugießen. »Sie waren zu ruhig. Sie verstehen, keiner von
beiden schwitzte auch nur im geringsten, und er war, nun ja, in keiner Weise
interessiert.«
»Das war alles, was Sie von der
Unterhaltung gehört haben?«
»Ja«, sagte sie in
entschuldigendem Ton. »Das nützt wohl nicht viel, oder?«
»Das weiß ich im Augenblick
noch nicht«, erwiderte ich. »Wie Sie selbst sagen, das ganze hat etwas Gespenstisches an sich.«
»Wir leben in einer Zeit, in
der
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