Al Wheeler und die Nackte
ein Luxus, den ich mir nicht
allzu oft leiste.«
»Also fast immer nur des
Profits wegen?« fragte ich.
»Das ist eine üble Art, sich
auszudrücken.«
»Tut mir leid«, sagte ich.
»Aber stimmt es vielleicht nicht?«
»Denke, was du willst.« Sie
zuckte die nackten Schultern. »Mein Bruder ist ein Dreckskerl. Vielleicht hat
er meine Einstellung gegenüber Männern verursacht.«
»Was tut er eigentlich?«
»Du meinst, wovon er lebt? Das habe
ich nie genau herausbekommen können.« Ihre Stimme klang nachdenklich. »Ich
glaube, er handelt und mauschelt so herum. Mir hat er sich nie anvertraut.«
»Warum lebst du mit ihm
zusammen, wenn du ihn nicht magst?«
»Ich mag Cal nicht nur nicht,
ich hasse den Mistkerl«, sagte sie kalt. »Das Haus wurde uns beiden
hinterlassen, und es ist einfach bequem, gemeinsam darin zu wohnen.« Sie drehte
sich plötzlich um, und das weiche Lampenlicht hüllte ihren
weiblich-vollkommenen Körper in einen sanften Schimmer. » Wieviel Uhr ist es?«
Ich nahm meine Uhr vom Tisch.
»Fast Mitternacht.«
»Ich nehme an, so spät wird
Virginia nicht mehr zurückkommen.« Ihr Gesicht erhellte sich schnell. »Ich weiß
wirklich nicht, warum wir hier herumstehen und schwatzen, Al Wheeler, wenn wir uns
doch schon lange und leidenschaftlich lieben könnten.«
»Ich auch nicht«, pflichtete
ich bei und löschte die Petroleumlampe.
Am Morgen, als der
Frühsonnenschein bereits durch das Fenster strömte, wachte ich auf. Donna lag
friedlich schlafend neben mir auf dem Bauch, das Gesicht zur Seite gewandt. Ich
ließ meine Hand sachte über ihr Rückgrat und das gerundete Hinterteil gleiten.
Sie gab einen leise schnurrenden Laut von sich, öffnete flüchtig ein
verschlafenes Auge und schloß es schnell wieder. Ein Bad am frühen Morgen
konnte nicht das Schlechteste sein, fand ich.
Der Strand lag verlassen da und
erweckte den Eindruck jungfräulicher Frische, als ich über den Sand ging. Die
Sonne brannte heiß auf meinen Rücken, und der Ozean sah blau und einladend aus.
Ich rannte ins Wasser hinaus, bis es mir zu den Schenkeln reichte und warf mich
dann in den nächsten Brecher. Der Kälteschock weckte mich vollends auf, und ich
schwamm, bis ich mich wieder warm fühlte. Nach einer Weile legte ich mich auf
den Rücken und döste genußvoll vor mich hin.
Das war ein Fehler. Plötzlich
ragte unmittelbar vor mir die vertikal aufstrebende Wand eines Felsens auf.
Donnas Warnung wegen der parallel zum Strand verlaufenden Strömung fiel mir
ein, und ich begann, mit kräftigen Schlägen zu schwimmen. Gegen die Strömung
anzukämpfen war wesentlich anstrengender als sich von ihr treiben zu lassen,
und es gelang mir nur eben gerade, mich in rund zwei Meter Abstand vom Felsen
zu halten, während ich mich mühsam zum Strand zurückarbeitete. Als ich endlich
in seichtes Wasser geriet, schnappte ich nach Luft, als ob der Atmosphäre
plötzlich aller Sauerstoff entzogen worden wäre und ich demnächst meinen
hundertsten Geburtstag feiern würde.
Ich taumelte über eine Sandbank
und hielt es für überflüssig, um einen vor mir liegenden, von Felsen umsäumten
Teich herumzugehen. Das einfachste war, durch ihn hindurchzuwaten .
Also wanderte ich geradewegs in das gut zwei Meter tiefe Wasser hinein und
tauchte prustend und spuckend wieder auf. Gleich darauf hätte ich beinahe laut
aufgeschrien, als eine kalte Hand sanft liebkosend über meine Schulter strich.
Mit einem krampfhaften Ruck entfernte ich mich aus dem Felsenteich, und erst
als ich meine Fassung einigermaßen wiedergewonnen hatte und meine Füße sicher
auf dem warmen Sand standen, zwang ich mich, noch einmal zurückzublicken.
Der Teich wurde durch einen
schmalen Felsenkamm, der in der Mitte eine Spalte hatte, geteilt. Ein Arm hatte
sich am Ellbogen in dieser Spalte verfangen, während der übrige Körper, das
Gesicht nach unten, neben dem schmalen Felsenriff trieb. Langes schwarzes Haar
schwebte wie ein Schleier an der Wasseroberfläche, und ich sah, daß die Tote
mit einer rosa Bluse und enganliegenden schwarzen Hosen bekleidet war.
Ich fragte mich, seit wann sie
wohl schon da trieb und kam zu dem Schluß, daß der Zeitpunkt lange genug zurückliegen
mußte, um für sie persönlich nicht mehr von Belang zu sein. Als ich mich auf
den Weg zur Hütte machte, begann ich in der heißen Morgensonne unkontrollierbar
zu zittern.
6
Doc Murphy sah zu, wie die
beiden Wärter vom Leichenwagen die Bahre mit der verhüllten Gestalt hochhoben
und sich
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