Al Wheeler und die Verführerin
So mußte es also so etwas wie diese Geschichte hier sein, und
das bedeutete, daß Jones in die Sache verwickelt ist. Es gab noch ein paar
andere Hinweise — die Fotos tauchten auf, aber wir fanden niemals eine Mr.
Marvin gehörende Kamera. Als ich in Marvins Geldtasche nachsah, waren hundert
Dollar drin. Aber Mrs. Summers hatte ihm an dem Vormittag des Tages, an dem er
ermordet wurde, telegrafisch zweitausend überwiesen. Der Mörder konnte sie ihm
aus seiner Geldtasche genommen haben. Aber warum hätte er in diesem Falle
hundert Dollar darin zurücklassen sollen? Es schien mir wahrscheinlich, daß er
das Geld für eine Zahlung brauchte, und wem hätte er hier etwas bezahlen sollen
außer dem Besitzer des Motels?«
Mit einer Miene des Abscheus
zog Lavers die Nase hoch. »Diese Geschichte gefällt mir ganz und gar nicht. Zu
Anfang denkt man, man hat es mit einem Haufen ganz gewöhnlicher Menschen zu tun,
mit Ausnahme, daß einer von ihnen ein Mörder ist. Und dann, je näher man ihnen
auf den Pelz rückt, gerät man an nichts anderes als Dreck. Ein Klavierspieler,
der ein zweifelhaftes Etablissement leitet, ein Millionär, der sich die Gunst
von Schulmädchen kauft, eine Dame, die begierig darauf ist, zu beweisen, daß
ihre Tochter im streng juristischen Sinn vergewaltigt worden ist. Und jetzt
entdecken wir einen alten Mann, der die letzten Tage seines Lebens damit
verbringt, nichtsahnende Pärchen zu bespitzeln, die angesichts des wenigen, was
sie für ihr Geld kriegten, wenigstens intime Abgeschlossenheit erwarten
konnten.«
»Vielleicht war es nicht gerade
sehr nett«, sagte Jones mit brüchiger Stimme, »aber es ist doch schließlich
kein Verbrechen.«
»Gehen wir in Ihr Büro zurück,
Mr. Jones«, sagte ich. »Mit Ihnen haben wir uns überhaupt noch gar nicht näher
befaßt.«
Er setzte sich schwer atmend
auf den Stuhl hinter seinen Schreibtisch, und sobald wir ins Büro kamen, begann
er, die Schreibtischplatte wie hypnotisiert anzustarren.
»Gegen mich können Sie gar
nichts unternehmen«, sagte er verdrossen, »und außerdem sage ich keinen Ton.«
»Diese Fotos, die sich da in
dem Umschlag befanden, den wir in Marvins Tasche gefunden haben«, sagte ich,
»von wem sind die aufgenommen worden?«
»Von Marvin natürlich.« Er
blickte mich finster an. »Das kann doch jeder Idiot feststellen — die
Handschrift auf dem Umschlag war seine.«
»Wie hat er die Fotos gemacht?«
»Keine Ahnung.«
»Der einzig mögliche Weg ist,
wie mir scheint, die Benutzung Ihrer Einrichtung gewesen. Und er konnte niemals
in den Raum gekommen sein, ohne daß Sie ihm dabei geholfen haben. Wieviel hat
er Ihnen gezahlt, Jones?«
»Ich weiß gar nicht, wovon Sie
reden.«
Der Sheriff legte seine Hände
auf den Schreibtisch und streckte seinen Kopf vor, bis dieser nur noch wenige
Zentimeter von dem Gesicht des alten Mannes entfernt war.
»Hören Sie mal, Jones«, sagte
er, mit tiefem Knurren, »entweder ziehen Sie hier mit, und dann kann ich es
Ihnen vielleicht ein bißchen erträglicher machen. Aber wenn Sie nicht
mitmachen, verspreche ich Ihnen auf der Stelle, daß Sie im Gefängnis an
Altersschwäche sterben werden.«
Der Kopf des alten Mannes
zuckte plötzlich, während er wie blind in Lavers’ starr auf ihn gerichtete
Augen blickte. »Na gut«, flüsterte er, »was möchten Sie wissen?«
»Rickie Willis und Angela
Summers kamen im Motel an«, sagte er. »Eine Stunde später folgte ihnen Marvin
im Taxi. Erzählen Sie von da an.«
»Nun, er trug sich ein«,
murmelte Jones, »und dann erkundigte er sich nach verschiedenem bei mir — daß
die jungen Leute hier waren, wußte er schon. Er erzählte mir, er sei
Privatdetektiv, und er würde es gerne sehen, daß ich ihm behilflich sei. Dabei
legte er fünfzig Dollar direkt vor mir auf den Tisch. Ich sagte, daß ich ihm
natürlich helfen würde, wenn ich könnte. Dann erzählte er mir, daß das Mädchen
schwer reich und der Junge irgend so ein Herumtreiber sei, der mit ihr
durchgebrannt ist. Und jetzt, wo er sie erwischt hätte, brauchte er
irgendwelches Beweismaterial, daß die beiden zusammen lebten. Das einzige, was
ihm dabei einfiel, war, sich eine Kamera zu besorgen und die beiden während der
Nacht damit zu überraschen.«
»So haben Sie ihn also gefragt,
was er für eine Serie von Fotos ausgeben würde?« sagte ich.
»Sie sind aber ein Schlaukopf«,
sagte er gehässig. »Natürlich — und er antwortete: Tausend.« Jones lachte
verächtlich. »So ein Idiot — sich
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