Alanna - Das Lied der Loewin
darüber und er verzehrt dich. Würdest du versuchen das Schwert zu benutzen, würde es dich vernichten. Du müsstest sterben, und nichts
könnte dich zurückbringen. Du musst lernen dich in Geduld zu üben. Hör auf damit, Stufen überspringen zu wollen, wie du es bei den rituellen Sprüchen getan hast – ja, ich hab dich beobachtet. Du musst vorsichtig sein, was die Magie betrifft.«
»Du bist genauso schlimm wie Akhnan Ibn Nazzir!«, platzte er heraus. »Du hast einen übernatürlichen Kater, ein Andenken von der Muttergöttin, ein magisches Schwert, die Gabe – und alles willst du für dich behalten! Du willst nicht, dass andere auch ihren Spaß haben!«
Er drehte sich um und rannte nach draußen.
Alanna schüttelte besorgt den Kopf. »Es geht nicht darum, Spaß zu haben«, sagte Alanna mehr zu sich selbst als zu Trusty oder den Mädchen. Mit einem Blick auf ihre beiden anderen ängstlich dreinschauenden Lehrlinge zwang sie sich zu einem Lächeln. Ishak würde sich beruhigen, bis zum Morgen würde er etwas anderes Aufregendes finden. Das hoffte sie zumindest. »Funktioniert dieses Ding?«, fragte sie Kourrem.
Kourrem, die froh war, dass das Thema gewechselt wurde, nickte. »Schön, dass du mir erlaubt hast den Webstuhl aufzustellen. Ich komme mir komisch vor, wenn ich abends nur herumsitze, wo ich doch weben könnte.«
»Kannst du gut weben?«, wollte Alanna wissen.
Kourrem schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich will es lernen.« Sie betrachtete die Fäden mit zusammengekniffenen Augen. »Ein bisschen kann ich es schon.«
»Sie kann mehr als nur ein bisschen«, verkündigte Kara. »Sie ist eine gute Weberin. Es ist wichtig für eine Frau, etwas gut zu können, damit sie Ehre und Glück in das Zelt ihres Gatten bringt«, verkündete sie.
»Haltet ihr beide Ausschau nach Ehemännern?«, wollte Alanna wissen.
»Ich weiß nicht so recht«, sagte Kara. Sie setzte sich hin und schlang die Hände um die Knie. »Als wir Geächtete waren im Stamm, bestand immer noch die Möglichkeit, dass ein Mann eines anderen Stammes Lust bekäme, eine von uns zur Frau zu nehmen. Aber jetzt, wo wir Schamaninnen sind, ist es schwer zu sagen. Der Schamane vor Akhnan Ibn Nazzir hatte eine Frau, aber Ibn Nazzir hatte keine – er war zu dreckig. Würde ein Mann denn eine Frau heiraten wollen, die Schamanin ist?«
Alanna fiel ein, dass Jonathan sie gebeten hatte seine Frau zu werden. »Die Chance ist ebenso groß wie bei einer Frau, die Kriegerin ist«, versicherte sie. »Und ich kenne zwei Männer, die mich heiraten wollten.«
Karas Gesicht leuchtete auf. »Kourrem, hast du das gehört?«, rief sie glücklich. »Zwei Männer wollten Alanna heiraten! Vielleicht haben wir auch noch eine Chance!«
»Hm«, entgegnete Kourrem und überprüfte, ob die Kettfäden an ihrem Webstuhl auch richtig aufgezogen waren. »Ich will noch nicht heiraten. Es gibt noch so viel, was ich lernen möchte.«
Darüber musste Alanna schallend lachen. »Und ich dachte, ich sei die Einzige, die so denkt!«
Ishak kam wieder, bevor die Mädchen aufbrachen. Er sah zerknirscht aus. »Ich habe mich schlecht benommen«, sagte er leise zu Alanna. »Ich will versuchen, langsamer vorzugehen. Ich will auf dich hören und tun, was du sagst.« Die Anstrengung, sich bei einer Frau entschuldigen zu müssen, auch wenn es sich dabei um die Frau-die-wie-ein-Mannreitet handelte, war zu viel für ihn. Er drehte sich um und
rannte davon. Alanna zog die Stirn in Falten und fragte sich, ob seine Demut echt war oder nur gespielt. Sie nestelte an dem Glutstein an ihrem Hals herum und seufzte, als Kourrems Webstuhl zu klappern begann. Ihr blieb nichts anderes übrig, als auf Ishaks nächsten Ausbruch zu warten und zu hoffen, dass er bald Selbstbeherrschung lernte.
5
Lehrlinge
Jeden Abend nahm sich Kourrem Zeit, an ihrem Webstuhl zu arbeiten. Sogar Alanna, die vom Weben nichts verstand, konnte sehen, dass sie ebenso viel Zeit auf das Auftrennen ihrer Fehler verwendete wie aufs eigentliche Weben.
»Ich weiß einfach nicht genug«, erklärte Kourrem Alanna eines Abends. Kara und Ishak stritten sich im selben Moment in Hörweite über die Verwendung einer Schriftrolle mit Zaubersprüchen.
»Ich war noch klein, als man es mir beibrachte, und ich habe lange nicht geübt.« Sie seufzte und machte ein mutloses Gesicht. »Erinnerst du dich an Hakim Fahrar, den Mann, gegen den du kämpftest?« Alanna nickte. »Seine Mutter ist die beste Weberin vom Stamm. Ich würde sie bitten
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