Alanna - Das Lied der Loewin
sagte er, und seine saphirblauen Augen glänzten vor ehrfürchtiger Scheu. »Die perfekteste aller Frauen und doch ist sie keine Frau. Mithros war so hell, der Dunkelgott so finster, und doch strahlte er Frieden aus. Ich könnte es niemals wieder tun. Aber ich werde nie vergessen, dass ich einer bin und viele. Wenn mein Leben zu eng wird, wenn ich fühle, dass ich keine Freiheit besitze, dann kann ich in mich blicken und ein anderer sein. Ich kann an einen anderen Ort gehen.« Er drehte sich um und küsste sie zärtlich, dann fügte hinzu: »Alanna, zum ersten Mal, seit ich meinen Namen erhielt, bin ich frei.«
Als sie am nächsten Morgen Jonathans Zelt verließ, fand sie Halef Seif auf dem Rand des Dorfbrunnens sitzend vor, als warte er auf jemanden. Er erhob sich und folgte ihr, als sie zum Pferch ging, dort sah er zu, wie sie Kämme hervorholte
und Moonlight zu striegeln begann. Endlich sprach er. »Die Stimme der Stämme muss bald in seine Heimat zurück.«
Alanna bückte sich zu den Sprunggelenken ihrer Stute hinunter. »Er hatte Glück, dass er überhaupt so lange wegbleiben konnte«, ächzte sie.
»Es wird gut sein, eine Stimme zu haben, die der Sohn des nordischen Königs ist, ebenso wie es gut ist, die Frau-die-wie-ein-Mann-reitet zur Schamanin zu haben.«
Alanna starrte den Häuptling unter Moonlights Hals hervor wütend an. »So förmlich warst du nicht mehr mit mir, seit ich dem Stamm beitrat«, meinte sie. »Was willst du damit sagen, Halef Seif?« Als er zögerte, fügte sie hinzu: »Ich hätte gedacht, du wärst der Erste, der ehrlich ist mit mir.«
»Willst du den Stamm nun verlassen?«, fragte er. »Willst du mit ihm zurückkehren, um in seinem Haus zu leben als seine Frau?«
Alanna schluckte. Sie hatte um Ehrlichkeit gebeten und nun bekam sie die Rechnung präsentiert. »Ich weiß nicht«, gestand sie und machte sich am Schweif ihrer Stute zu schaffen. »Ich habe es mir überlegt, aber ich kam bisher noch zu keinem Entschluss.«
»Er gab den Befehl, dass man ihm für heute seine Pferde richtet«, sagte der Häuptling. »Sicher erwartet er von dir, dass du ihn begleitest, wenn du ihn heiraten willst.« Als er sah, wie Alanna blass wurde, fügte er hinzu: »Er befahl, dass auch dein Ross gerichtet wird.«
Alanna wurde langsam ärgerlich. »Dazu hatte er kein recht. Ich habe ihm noch keine Antwort gegeben.«
»Vielleicht glaubt er zu wissen, wie deine Antwort ausfallen wird?«
Alanna legte ihre Kämme weg. »Am besten rede ich mit
ihm.« Sie schlüpfte unter dem Strick durch, der um den Pferch gezogen war, und sah zu Halef Seif hinauf. »Dass mir keiner Moonlight reisefertig macht, bevor ich es sage!« Sie stapfte davon. Unterwegs sagte sie sich, Jonathan sei erschöpft und habe vermutlich vergessen sie zu fragen, ob sie mitkommen wollte oder nicht. Dabei fiel ihr ein, dass er nicht einmal erwähnt hatte, dass er heute aufbrechen wollte.
Bleib ruhig ermahnte sie sich, als sie das Zelt des Prinzen betrat. Dass er die Stimme ist, hat die weniger wichtigen Dinge in seinem Kopf verdrängt, und noch viel länger hierzubleiben kann er nicht wagen.
Jonathan beriet sich gerade mit Myles und Coram. Schon packte ein Junge des Stammes seine Sachen. Der Prinz lächelte ihr entgegen. »Liebes, ich habe Kara und Kourrem angewiesen für dich zu packen. Wenn wir nach der Dämmerung aufbrechen, sollten uns einige kühle Stunden zum Reiten bleiben.«
»Kann ich dich unter vier Augen sprechen, Jonathan? Ich bin sicher, Coram und Myles werden uns entschuldigen.« Coram, der ihre finstere Miene sah, ließ sich nicht länger bitten und verschwand. Myles schaute von Alanna zu Jon. Es war offensichtlich, dass er sich Sorgen machte. »Keine Angst, Myles«, versicherte ihm der Prinz. »In einer Stunde oder so sind wir bereit.«
Myles blieb neben Alanna stehen. »Sag nichts, was du vielleicht bereuen könntest!«, mahnte er.
»Mache ich nicht!« Alanna griff nach dem Glutstein an ihrem Hals und sagte sich, was sie eben gehört hatte, müsse auf einem Missverständnis beruhen, das sich bereinigen ließ. Myles seufzte, ging hinaus und schloss den Zelteingang hinter sich.
»Du erwähntest gar nicht, dass du heute abreisen willst«,
sagte Alanna kurz angebunden. Sie musste sich anstrengen nicht die Beherrschung zu verlieren.
»Ich dachte, du wüsstest es.« Jonathan rollte eine Karte zusammen, ohne sie anzusehen. »Wenn ich nicht mit Myles, sondern mit einem anderen unterwegs gewesen wäre, hätten meine Eltern
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