Alanna - Das Lied der Loewin
gegeben hat«, erklärte Windfeld nun, »aber mir kommt die Ehre zu, hier in Berat seine Interessen zu vertreten. Ich heiße Euch und Euren Lehensmann im Wandernden Barden willkommen.« Dabei nickte er zu Coram hinüber, der die Unterbringung der Pferde im Stall beaufsichtigte. »Was Ihr auch immer wünscht, lasst es mein Gesinde wissen. Hättet Ihr gern etwas Kühles zu trinken, um den Staub hinunterzuspülen?«
»Ich kümmer mich um das Gepäck und die Zimmer«, sagte Alannas Begleiter. »Ich weiß schon«, meinte er eilig, als seine Herrin den Mund aufmachte. »Du willst baden. Heißes Wasser und Seife, und zwar schnell.« Zu Windfeld gewandt, fügte er lächelnd hinzu: »Für ’ne Göre, die mehr
oder weniger auf der Landstraße lebt, ist sie verdammt pingelig.«
Alanna zuckte die Achseln. »Was soll ich dazu sagen? Ich bin einfach gern sauber. Dank dir, Coram.«
»Dient er Euch schon lange?«, erkundigte sich Windfeld, während er sie in die Gaststube führte, ihr einen Platz anbot und sich gegenüber hinsetzte.
»Schon ewig«, antwortete Alanna. »Coram hat meine Windeln gewechselt und das lässt er mich nie vergessen. Er hat geholfen, mich und meinen Zwillingsbruder aufzuziehen.« Zu einer Dienstmagd, die gekommen war, um sich nach ihren Wünschen zu erkundigen, sagte Alanna: »Fruchtsaft wäre toll, falls es welchen gibt.«
Der Gastwirt lächelte, als sich die Magd entfernte. »Im Wandernden Barden gibt es alles, was Euer Herz begehrt, Lady Alanna. Wie geht es Eurem ehrenwerten Vater, falls die Frage gestattet ist?«
Die Magd kehrte mit einem Tablett zurück, auf dem ein Henkelkrug und ein Becher standen. Sie stellte beides vor Alanna ab. Die Ritterin trank einen Schluck und lehnte sich dann mit einem Seufzer zurück. »Als ich vor zwei Monaten von ihm hörte, ging es ihm gut. Coram und ich sind schon wochenlang unterwegs; man braucht nämlich eine ganze Weile bis hierher. Ich bin noch nie zuvor aus Tortall herausgekommen. Aber Maren unterscheidet sich gar nicht so sehr.«
Windfeld grinste. »Wie sollte es auch, wo doch Tortall und Tusain und Maren aus dem gleichen Holz geschnitzt sind? Diese drei sind die wahren Ostländer. Noch weiter östlich sieht es ganz anders aus.«
Alannas scharfem Blick entging nicht, dass sich die Miene des Wirts verdüsterte. »Gibt es irgendwelche Probleme dort?«
»Nur die übliche Krankheit, die ein Land hin und wieder befällt«, antwortete Windfeld. »Seit ungefähr anderthalb Jahren herrscht Krieg in Sarain. Nur ein Sarainer könnte Euch erklären, wie er anfing oder wie er beendet werden kann. Aber seht, Eure Zimmer sind bereit«, fügte der Wirt hinzu, als er ein Zimmermädchen an der Tür entdeckte. »Und Euer Bad.«
Alanna hob ihren Kater hoch, der mit Windfelds Schürze spielte. »Komm mit, Trusty«, sagte sie mit einem leisen Stöhnen und setzte ihn auf ihre Schulter. »Wir gehen uns waschen.«
Den Wirt, der zusah, wie sie zu den Zimmern gingen, schauderte es. Erst jetzt hatte er gesehen, dass die Augen des Katers nicht bernsteinfarben, grün oder grau waren wie normale Katzenaugen, sondern so violett wie die Alannas. Unwillkürlich machte er das Zeichen gegen das Böse.
Der Badezuber bot alles, was sich eine erschöpfte und schmutzige Ritterin wünschen konnte: Er war groß genug, dass sie ganz hineinpasste, und er war mit heißem Wasser gefüllt. Zufrieden planschend, spülte sie den Dreck einer Woche aus ihrem Haar.
Ich brauche lediglich eine Zunge und Pfoten , kommentierte Trusty.
»Riechst du deshalb so gut, wenn du eine Nacht im Wald verbracht hast?«, erkundigte sich Alanna.
Trusty ignorierte sie und rollte sich auf dem Bett zusammen. Alanna schnitt ihm eine Grimasse und griff nach dem Kupferkessel mit dem klaren Wasser zum Abspülen. Sonnenstrahlen trafen das Metall und blendeten sie. Inmitten des grellen Lichts erschien ihr ein Bild:
Ein violettfarbener Edelstein von der Größe einer Silbermünze,
eingefasst in eine goldene Scheibe. Seine Facetten warfen das Licht nicht zurück, sondern verschluckten es. Dahinter war Schnee, der dahinfegte wie in einem Schneesturm.
Das Bild verblasste, als sie blinzelte. Es war zwecklos, darüber nachzugrübeln, was diese Vision zu bedeuten hatte, das war ihr klar. Früher oder später würde sie es sowieso erfahren – es war nicht ihre erste. In der Zwischenzeit wurde außerdem ihr Badewasser kalt.
Coram klopfte, als sie sich gerade die Haare bürstete. »Ich hab gegessen«, rief er durch die Tür. »Ich
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