Alanna - Das Lied der Loewin
der Shang-Drache. Du wirst mich in gar nichts verwandeln.«
»Mach dir keine Sorgen«, sagte er munter. »Wenn ich mich anziehe, schlüpfe ich genau wie du erst in das eine Hosenbein, dann ins andere.« Er schnallte eine Decke von seinem Sattel und wickelte Alanna darin ein. »So. Du bist müde und nass und schlecht gelaunt – und überhaupt nicht in der Lage allein heimzureiten. Außerdem bin ich auch mal eingeschlafen, Löwin. Ein Baum hat mich vom Sattel und in den Graben gefegt, genau vor den Augen der Männer, die ich befehligen sollte. Glücklicherweise haben sie mich nicht gehänselt – jedenfalls nicht sehr. Hinauf mit dir.« So mühelos, als wäre sie ein Kind, schob er sie hoch in den Sattel, stieg hinter ihr auf und umschlang sie mit den Armen.
»Schlaf, Kätzchen«, murmelte er. »Jetzt kann dir nichts mehr passieren.«
Coram erwachte spät, und zwar mit einem Kater, den er nicht einmal seinem schlimmsten Feind gewünscht hätte. Er wartete eine ganze Weile darauf, dass seine Herrin und Ritterin mit ihrer Katzenjammer-Arznei kommen würde. Als
sie nicht erschien, stand er auf, um sie zu suchen. Sogar das Anziehen tat weh. Er war gern bereit sich ihre bissigen Bemerkungen anzuhören, wenn sie ihn dafür von den Kopfschmerzen und der Übelkeit befreite.
Nachdem ihm achon das Anziehen solche Schmerzen bereitet hatte, war Coram überhaupt nicht begeistert, als er nun einen Fremden aus Alannas Zimmer kommen sah. War das nicht der Rotschopf, mit dem sie sich gestern Abend im Gastraum unterhalten hatte? Coram konnte sich nicht erinnern.
Er vertrat Liam den Weg. »Vermutlich hast du gute Gründe dich im Zimmer meiner Herrin aufzuhalten, und die wirst du mir jetzt allesamt mitteilen, und zwar sofort!« Alanna hatte Freunde, die nicht nur sie selbst, sondern auch ihren guten Ruf schützten, wie dieser Kerl jetzt gleich erfahren würde!
Der Drache grinste, als er Alannas Freund erkannte. »Du musst Coram sein.«
»Richtig. Deshalb weiß ich aber immer noch nicht, wer du bist.«
Liam beäugte den kräftigen Lehnsmann. »Ich glaube, dass diese junge Dame selbst auf sich aufpassen kann.«
»Vermutlich hat sie dir das gesagt«, fuhr ihn Coram an. »Sie irrt sich. Gibt es hier in der Stadt irgendwen, der für dich bürgen kann?« Corams Hand wanderte zum Griff seines Dolchs.
»Der Drache von Shang braucht keinen, der für ihn bürgt.« Liams Augen verfärbten sich blassgrün. »Ich begreife ja, dass du auf sie aufpassen willst, aber Drohungen hab ich nicht gern.«
Coram zog die Stirn in Falten. »Du willst mir weismachen, dass du Liam Eisenarm bist?«
»Komm mit nach unten, bevor sie dich hört«, sagte Liam mit einem Seufzer. »Windfeld kennt mich.«
Als der Wirt Liams Rang bestätigte, sagte sich Coram, dass er seine Taktik jetzt besser ändern sollte, und lud den Drachen zum Frühstück ein. Sein Kater ließ nach, als er etwas in den Magen bekam, und jetzt konnte er sich auch besser darauf konzentrieren, diesen rothaarigen Kerl auszufragen.
»Weiß Lady Alanna Bescheid, wer du bist?«, erkundigte er sich.
Langsam breitete sich ein Grinsen auf Liams Gesicht aus. »Sie weiß Bescheid.«
»Dann ist sie bestimmt total aus dem Häuschen, weil sie sich nicht entscheiden kann, was sie dich als Erstes fragen soll.« Coram überlegte einen Augenblick und sah dann in die inzwischen grauen Augen des Drachen. »Was will denn so einer wie du mit Alanna von Trebond?«
Der große, kräftige Mann zuckte die Achseln. »Sie ist ein hübsches Ding – sie ist anders als andere Frauen und sie hat eine Menge Kampfgeist. Und aus dem zu schließen, was ich über sie hörte, hat sie nichts gegen Männer.«
Coram lief rot an, als er an Prinz Jonathan und Georg, den Dieb, denken musste. »Trotzdem ist sie eine anständige junge Frau.«
Liam musste lachen. »Sie ist eine zu gute Kriegerin, als dass ihr Ruf als Frau leiden könnte. Zumindest wird keiner etwas Schlechtes über sie sagen, wenn sie in der Nähe ist.«
»Ich hätt angenommen, dass der Shang-Drache die Wahl hat unter den hübschesten Dingern«, knurrte Coram.
Liam erhob sich. »Möglich. Aber sie ist ja nicht nur hübsch, oder was meinst du? In ihrem Bereich ist sie so berühmt wie
ich in meinem.« Er legte seine Hand auf Corams Arm. »Ich bin kein Dorfjunge, der damit prahlen will, dass das Fell der Löwin in seiner Hütte liegt, Meister Smythesson. Ich mag sie. Und dich würde ich vermutlich auch mögen, wenn du aufhören würdest, so ein Gesicht zu
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