Alanna - Das Lied der Loewin
weh, als sie sich die Arme abtrocknete, und sie unterdrückte einen Schrei. »Ich glaube, ich habe dir zu danken.«
Sie verließen Berat am nächsten Tag – Alanna mit Trusty auf Moonlight, Coram auf Amboss, seinem Braunen, Liam auf seinem grobknochigen Grauen, den er Drifter nannte, dazu ihr Packpferd namens Tizzy. Es war ein sonniger Tag, und der sanfte Wind verriet, dass der Frühling nahte. Die Nacht verbrachten sie in einer windgeschützten Kuhle. Als sich Alanna an diesem Abend schlafen legte, war ihr, als könne
sie den Wald nach dem Winterregen wachsen hören. Der Frühling war ihre liebste Jahreszeit – sie fragte sich, wann er wohl das Dach der Welt erreichen würde.
Eine Stunde vor Sonnenaufgang stand sie auf, um ihre Übungen zu machen. Liam war schon wach und bereitete sich darauf vor, dasselbe zu tun. Nachdem sie sich wortlos geeinigt hatten, fanden sie ein Stück entfernt eine kleine Lichtung, wo sie Coram nicht störten. Trusty trottete hinterher und ließ sich auf einem Felsen nieder, von dem aus er alles sehen konnte.
Alanna trainierte schon so lange, dass ihr Körper wusste, was von ihm erwartet wurde. Sie absolvierte alle Übungen gewohnheitsmäßig und so konnte sie Liam im Auge behalten. Der Drache machte komplizierte Übungen, erst langsam, dann ein zweites Mal schneller. Er vollführte Hiebe und Abwehrschläge mit den Armen, verteilte Tritte aus dem Stand, dann im Sprung. Er wirbelte mit der Leichtigkeit eines Akrobaten durch die Gegend, was in Anbetracht seines schweren, muskulösen Körpers recht seltsam wirkte. Als er fertig war, hatte er jeden einzelnen Körperteil trainiert.
Danach wischte er sich mit dem Arm das Gesicht ab und sah zu Alanna herüber. »Komm her.«
Argwöhnisch gehorchte sie. Liam nahm ihre Hand und bog sie so zu einer Faust, dass der Daumen über den Fingern lag. »Schlag immer mit den ersten beiden Fingerknochen zu. Es wird einfacher werden, wenn du auf jeder flachen Oberfläche übst, die du findest – Erde, Felsen, eine Wand, was auch immer. Dadurch baust du genug Hornhaut auf, um diese beiden Knöchel zu schützen.« Er hielt seine Hände hoch, damit sie sah, was er meinte.
Dann zeigte er ihr einen Faustschlag, der ganz anders war
als der, den sie als Page erlernt hatte. Dabei lag die Faust erst umgekehrt in Taillenhöhe, wurde im Schlag gedreht und traf dann mit der richtigen Seite nach oben auf. Sie boxte, bis ihr rechter Arm schmerzte, dann wechselte sie über zum linken.
Liam umkreiste sie, sah zu und korrigierte ihre Bein- und Schulterhaltung. Einmal klopfte er ihr fest auf den Bauch: »Halt diese Muskeln da straff!« Er hatte Alanna dabei erwischt, dass sie etwas vergaß, was sie schon wusste.
»Du solltest dir stets vor Augen halten, wo dein Schlag landen soll – du musst auf das untere Ende der Rippen deines Gegners zielen«, erklärte Liam. »Für mich liegt das etwa auf der Höhe, wo meine Rippen enden, aber du musst deinen Schlag nach oben richten. Sonst triffst du bei den meisten Männern das Knie.« Alanna starrte ihn wütend an, dann versuchte sie es wieder. Später kamen noch höher und niedriger liegende Schläge dazu und wie man mit den Armen Angriffe abblockte. »Übe, bis es wehtut«, sagte er, als sie fertig waren. »Das kennst du ja vom Fechten. Man muss es so oft tun, dass man nicht mehr nachdenken muss, wenn man es braucht. Dann kommt der Schlag oder die Abwehrbewegung ganz von allein.«
Alanna nickte erschöpft.
Das war deine Idee, sagte Trusty, als sie zum Bach trottete, um sich zu waschen. Während sie die Ärmel hochkrempelte – nichts hätte sie dazu bringen können, bei dieser Jahreszeit draußen zu baden! –, fügte der Kater hinzu: Wann wirst du lernen, es rechtzeitig gut sein zu lassen? Alanna seufzte: »Wenn ich nichts mehr dazulernen will, nehme ich an.«
Coram war wach, als sie zurückkehrte. »Du bist dran mit dem Frühstückmachen«, erinnerte er sie. Leise fügte er hinzu:
»Die Götter mögen uns beistehen.« Er nahm seine Sachen und gesellte sich zu Liam an den Bach.
Alanna ignorierte seine Bemerkung und machte sich an die Arbeit. Liam kehrte als Erster zurück. Er setzte sich ans Feuer und sah argwöhnisch zu, was sie tat.
»Machst du deine Übungen oft?« Alanna füllte Haferbrei in seine Schale und reichte sie ihm.
Liam stocherte mit einem Löffel in seinem Frühstück. »Jeden Morgen, dazu kommt das, was ich im Lauf des Tages mache. Du reinigst doch auch regelmäßig deine Rüstung und die
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