Alanna - Das Lied der Loewin
verwirrt ansah. »S... Er ist ein Trebond«, erklärte er. »Die sind so stur wie die Maulesel. Alle miteinander. Es ist wohl das Beste, wir gehen Sir Myles holen.«
Alanna ging wieder hinaus und schloss die Tür. Lieber wollte sie im Flur warten als sich dieses verrückte Treiben da drinnen mit ansehen. Glücklicherweise dauerte es nicht lange, bis die beiden Männer mit Myles, der gespannt schaute, zurückkehrten.
»Ich brauche Eure Hilfe«, erklärte Alanna dem Ritter kurz angebunden. »Schaut mal da hinein!«
Myles warf einen Blick in Jonathans Zimmer. Er schloss die Tür und zog die Augenbrauen hoch. »Du weißt, dass es nicht viel Hoffnung gibt«, erklärte er Alanna leise. »Nicht, wenn er so schnell derart schwer erkrankt.«
Ihre Augen und ihre Stimme waren so hart wie Stahl. »Vielleicht nicht, vielleicht aber doch. Hört zu – ich habe
Euch etwas verheimlicht. Ich habe die Gabe und ich bin zum Heilen ausgebildet. Die Dorfheilerin hat mir alles beigebracht, was sie wusste.« Als der Ritter ernst blieb, fuhr sie hastig fort. »Ich mag ja erst elf sein, aber es gibt Dinge, die jeder Idiot weiß. In einem Krankenzimmer macht man keinen Krach und man vernebelt nicht die Luft mit Weihrauch! Und meine Heilkraft ist nicht so ausgezehrt wie die der Palastheiler.« Sie sah den Zweifel in den Augen des Ritters und fügte hinzu: »Jonathan hat nach mir gerufen. Ich glaube, er spürt, dass ich ihm helfen kann.«
Myles zupfte an seinem Bart. »Ich verstehe. Und was soll ich dabei tun?« Alanna holte tief Luft. »Schickt diese Leute weg. Auf Euch werden sie hören.« Sie konnte nicht sagen, woher sie wusste, dass die Leute in Jonathans Zimmer einem einfachen Ritter gehorchen würden – sie wusste es einfach. »Holt sie da raus, damit wir den Raum lüften können und damit ich mit Herzog Baird reden kann.«
»Das ist ein gewaltiger Befehl.« Myles dachte nach, dann zuckte er die Achseln. »Du bist sehr überzeugend, Alan. Und was haben wir schon zu verlieren?«
Sie schaute ihn mit schmerzerfüllten Augen an.
»Jonathan«, flüsterte sie.
Myles war überzeugt. »Na gut.« Er nickte Timon zu. »Melde mich an.«
Timon, der aussah, als habe sich gerade seine Welt von oben nach unten gekehrt, öffnete die Tür.
»Sir Myles von Olau!«
Die Menge verstummte und wandte sich zur Tür. Die Priester brachen ihren Gesang ab. Myles trat, von Coram und Timon flankiert, ins Zimmer. Alanna folgte. Keiner achtete auf sie. Es war verblüffend, wie Myles sich verändert
hatte. Ganz plötzlich lag etwas Fürstliches im Auftreten des kleinen, untersetzten Mannes. Darüber hinaus war er sehr aufgebracht.
»Habt ihr der Verstand verloren?«, wollte er wissen. Seine sonst so sanfte Stimme war nun scharf und durchdringend. »Erzählt mir nur nicht, dass seine Majestät darüber unterrichtet ist, was hier vor sich geht. Das ist unmöglich.«
Keiner sagte etwas.
»Verschwindet!«, befahl Myles. »Hier liegt ein Kranker, kein Toter.« Er warf den Priestern einen Blick zu. »Schande über euch! Der Junge lebt noch!«
Daraufhin senkte der Oberpriester den Kopf und führte die anderen Priester mit sich hinaus. Einige der Höflinge warfen Herzog Baird einen Blick zu: Eigentlich hatte ja er hier das Sagen. Der Heiler nickte Myles zu. Auf seinem müden Gesicht war die Erleichterung abzulesen. »Ihr könnt hier nichts ausrichten«, erklärte er den anderen Edlen. »Myles hat recht, geht zu euren Göttern und betet für unseren Prinzen. Das ist der einzige Weg, wie wir ihm jetzt noch helfen können.«
Nach und nach verschwanden sie. Nur Herzog Baird blieb zurück. Alanna eilte zu Jonathan. Ihr Freund war leichenblass und schwitzte stark. Alanna stopfte die Decken um Jon herum fest. »Coram!«, rief sie. »Mach die Fenster auf. Wir müssen frische Luft hereinlassen.«
Baird sah Myles misstrauisch an. »Was geht hier vor sich?«
»Alan hat mich gebeten ihm zu helfen«, entgegnete der Ritter. »Ich führe seine Befehle aus.«
Baird starrte ihn an. »Ihr führt die Befehle eines Pagen aus?«
»Alan«, sagte Myles. »Du bist Herzog Baird eine Erklärung schuldig.«
Alanna erhob sich und wandte sich dem Heiler zu. Rasch erzählte sie ihm, was sie Myles zuvor gesagt hatte, und unterbrach lediglich, um Coram zu bedeuten, er solle die Fenster wieder schließen. »Ich bin noch jung und ich bin auch nicht so gut ausgebildet wie Ihr«, schloss sie. »Aber meine Kraft ist nicht so ausgelaugt. Und er ist mein Freund.«
»Freundschaft wird da
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