Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alanna - Das Lied der Loewin

Alanna - Das Lied der Loewin

Titel: Alanna - Das Lied der Loewin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamora Pierce
Vom Netzwerk:
und gar der erfahrene Ritter, hab ich recht? Und du hast keine Angst mehr vor mir – so wie früher.« Er ließ sie wieder los.
    Alanna steckte ihre Hände in die Taschen. Sie dachte darüber nach, was er gesagt hatte. Bedächtig entgegnete sie: »Weißt du was? Es gibt Sandstürme, die Mann und Pferd blank fegen und sie unter sich begraben – ich habe es gesehen. Ich habe Knochen gesehen, höher aufgeschichtet als mein Kopf; sie waren das Resultat der Regentschaft eines
schlechten Königs und derer, die seinen Thron wollten. Ich habe einen Schneesturm überlebt, bei dem alle anderen Lebewesen zu Stein froren. Verglichen mit all diesen Dingen bist du nur ein Mensch. Mit dir werde ich fertig.«
    Auf seinem scharf gemeißelten Gesicht und in seinen Augen lag ein belustigter Ausdruck. »Meine Liebe, ich bin sicher, dass du das kannst. Bloß gebe ich dir keine Gelegenheit dazu – nicht noch einmal.«
    Er ging davon und stieg auf eine höhere Ebene der Mauer.
    Alanna sah hinunter. Schließlich seufzte sie, hob ihren wütenden Kater auf und wärmte sich die Nase an seinem Fell. »Beruhige dich«, flüsterte sie. »Der hält mich nicht zum Narren, falls es das ist, was dir Sorgen macht.« Ihr war kalt. »Er hat etwas vor. Darauf möchte ich meinen Ruf verwetten.«
    Raoul erwartete sie am Fuß der Treppe. Statt des groben Hemds und der Reiterhose, die er an Bord des Schiffes getragen hatte, war er nun in das königliche Blau und Silber der Leibgarde gekleidet mit dem silbernen Stern des Oberbefehlshabers auf der Brust. Alanna blieb stehen, um ihn zu bewundern.
    »Ich weiß, du sagtest mir, dass du die Leibgarde befehligst«, sagte sie, als sie zu ihm trat. »Aber zwischen Hören und Sehen ist ein gewaltiger Unterschied.« Sie ließen die Mauer hinter sich und gingen aufs Palastgelände. »Sind sie verlottert, deine Männer, während du fort warst, um mich zu holen?«
    Raoul schüttelte lachend den Kopf. »Mahoud ibn Shaham, mein stellvertretender Befehlshaber, hat ein Auge auf sie gehabt. Trotzdem bin ich froh, wieder da zu sein. Ich mache mir immer Sorgen, wenn ich die Dinge nicht selber kontrollieren kann. Übrigens sah ich, mit wem du geredet hast.«

    »Und?«
    »Was hältst du von ihm?«
    »Er ist verrückt«, sagte Alanna klipp und klar. »Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass er auf der Erde ist, wo er doch eigentlich im Grab liegen sollte, oder ob der Zauber, der ihn zurückholte, sein Hirn durcheinandergebracht hat. Ist mir auch egal. Jedenfalls ist er verrückt und gefährlich.«
    Raoul nickte. »Finden wir auch, ich und Gary und sogar Jon, glaub ich. Aber was sollen wir tun? Du weißt ja, wie sehr König Roald – die Götter seien seiner Seele gnädig – jeden Aufruhr verabscheute. Er wollte vergeben und vergessen  – vor allem vergessen. Also gab er Roger seine Ländereien, seine Titel – alles – zurück. Und jetzt haben wir einen verrückten Herzog am Hals, noch dazu denken eine Menge Leute, ein Fluch läge über uns, weil wir ihn nicht loswerden. Können wir vielleicht über was anderes reden? Sonst krieg ich noch Depressionen.«
    Alanna lächelte. »Einverstanden. Erzähl mir, wie es dir gefällt, Befehlshaber der Königlichen Leibgarde zu sein.«
    »Ganz gut«, meinte Raoul. Sie gingen durch eine Passage, die zu den Übungshöfen der Ritter, Knappen und Pagen führte. »Aber es ist nicht wie bei den Grenzpatrouillen. Als Oberbefehlshaber der Leibgarde muss man spionieren und andere verpfeifen, zumal es Leute gibt, die Komplotte schmieden, um Jonathan umzubringen...«
    »Wie bitte?«, flüsterte sie.
    Raoul wurde rot. »Vergiss, was ich sagte. Die Sache ist erledigt. Frag Jon. Hör zu, ich will nicht über mich reden. Was hast du in der ganzen Zeit getrieben? Wie ist der Drache so? Und was, in Mithros’ Namen, hattest du am Dach der Welt zu suchen?«

    »Das ist eine lange Geschichte.« Alanna betrachtete die offenen Höfe, die Gestelle mit den hölzernen Schwertern und Knüppeln, die lebensgroßen Trainingspuppen, die Zielscheiben. Zu dieser frühen Stunde waren nur ein paar wenige Ritter da – Gary, Alex, Geoffrey von Meron. Sie umringten Alanna, schlugen ihr auf den Rücken und wollten sämtliche Abenteuer hören. Lachend weigerte sie sich und sagte, zum Geschichtenerzählen bleibe noch massenhaft Zeit.
    Währenddessen musterte sie die Gesichter. Das von Alex war verschlossen wie eh und je, nur dass er sich über irgendetwas zu freuen schien. Gary dachte erst mal nach, bevor er etwas

Weitere Kostenlose Bücher