Alanna - Das Lied der Loewin
Euch der Junge nicht gesagt hat?«
»Vergiss nicht, dass ich in der Ratsversammlung meines Vaters sitze. Ich habe schon von dir gehört.«
Georg fuhr mit der Hand über die Nüstern des Hengstes. »Mir ist nicht daran gelegen, Euer Stillschweigen zu kaufen. Das ist ein offener und ehrlicher Handel. Als ich die Stute kaufte, konnte ich mir den da nicht durch die Lappen gehen lassen. Der Händler war ein schmutziger alter Bazhir. Zwischen all den anderen Tieren, die er feilbot, waren diese beiden wie Juwelen in einem Misthaufen. Ich dachte mir, dass Alan die Stute nehmen würde, und für dieses Ross da kann ich jederzeit einen Käufer finden.«
Jonathan untersuchte den Hengst. Er war nervöser als Moonlight, doch unter der festen Hand des Prinzen wurde er ruhiger.
»Du hast einen guten Blick, was Pferde angeht, Georg.«
»Ich liebe Pferde«, gestand der König der Diebe. »Ich hab selbst ’ne kastanienbraune Stute, die ist besonders hübsch. Ich wäre geehrt, wenn Ihr sie Euch irgendwann mal anschauen wolltet.«
»Das mache ich gern.« Nachdenklich sah Jonathan Georg an. Plötzlich lächelte er und bot ihm seine Hand. »Ich dank dir. Ein gutes Pferd kann einem Mann das Leben retten.«
Georg nahm die dargebotene Hand und suchte in Jons Gesicht, ob dieser etwas vor ihm zu verbergen suchte. »Ihr ehrt meinen Geschmack, Hoheit.«
»Meine Freunde nennen mich Jonathan. Könige und Prinzen sollten freundschaftlich miteinander umgehen, meinst du nicht?«
Georg lachte, doch sein Blick blieb respektvoll. »Das finde ich auch – Jonathan. Und du brauchst keine Angst zu haben, dass ich diese Freundschaft ausnutze. Mein Versteckspielchen führe ich nur mit dem Obersten Richter – und sonst mit keinem.«
»Das hoffe ich« – Jon grinste –, »sonst wären Alan, Gary und ich ganz schön in Schwierigkeiten.«
»Georg«, sagte Alanna. Die beiden schauten sie an. Sie sah verwirrt aus. »Ich ... ich verstehe das nicht«, stammelte sie. »Warum tust du das für mich? Du hast dir meinetwegen eine Menge Arbeit gemacht. Warum?«
Georg sah sie eine lange Weile an. Schließlich entgegnete er: »Warum fällt es dir so schwer zu glauben, dass man dich mag und gern etwas für dich tun will? Das ist es, was es mit Freundschaft auf sich hat, Kleiner.«
Alanna schüttelte den Kopf. »Aber ich hab doch gar nichts für dich getan.«
»So funktioniert Freundschaft auch nicht«, sagte der Dieb trocken.
Alanna fand das verwirrend, und das sagte sie auch. Georg lachte und lud die beiden zum Mittagessen ein.
Kurz danach wurden die vier jüngsten Pagen – Alanna, ein neuer Junge namens Geoffrey von Meron, Douglass von Veldine und Sacherell von Wellam – zu einem der am Palast liegenden Übungssäle beordert und nicht wie sonst in die Außenhöfe, wo ihr Unterricht im Lanzenfechten stattfand. Herzog Gareth, Coram und Hauptmann Aram Sklaw, der Kommandant der Palastwache, erwarteten sie. Der Hauptmann, ein zäher alter Söldner, der eine Augenklappe über seinem fehlenden Auge trug, musterte die Jungen von Kopf bis Fuß.
»Pah!«, schnaubte er. »Da ist nicht ein Einziger ist dabei, aus dem was werden könnt.« Er deutete mit einem Finger auf Geoffrey. »Du – du siehst mir so aus, als wärst du ein rechter Träumer. Vermutlich wird dir schlecht, wenn du Blut siehst, wie? Lieber liest du, als dass du kämpfst, hab ich recht?« Er
beäugte Douglass. »Und du isst gern, was? Ich könnt mir vorstellen, dass du dich gern in der Küche rumtreibst und der Köchin was zum Essen abschwatzt.« Er schaute Alanna mit zusammengekniffenen Augen an. »Und du? Du reichst nicht mal als Vogelfutter. Du wirst das Schwert nicht heben können, geschweige denn damit ausholen.«
Alanna wollte sich gerade wehren, da fiel ihr noch ein, dass Herzog Gareth anwesend war. Sie sparte sich ihre Bemerkung für später auf. Diesem Sklaw würde sie es zeigen! Der Söldner wandte sich zu Sacherell. »Dich hab ich auf den Höfen gesehen. Faul bist du und langsam obendrein.« Sklaw stand vor dem Herzog stramm. »Mit Euer Gnaden Erlaubnis bitte ich darum, mir das zu ersparen.«
Herzog Gareths Lächeln war so breit, dass man es trotz der Hand, hinter der er es zu verbergen suchte, sehen konnte. »Du bittest jedes Mal darum, dass man dir das erspart, Aram. Und doch gelingt es dir jedes Mal, bemerkenswert gute Schwertfechter aus ihnen zu machen.« Als er sich den Jungs zuwandte, war sein Gesicht wieder ernst geworden. »Ihr werdet nun die Kunst des
Weitere Kostenlose Bücher