Alanna - Das Lied der Loewin
und stürzte noch ein Glas Wein hinunter. Warum hatte ihm das Alex nie gesagt? Aus Eifersucht? Wollte er nicht zugeben, dass ein Junge, der immer noch Knappe war, ebenso gut war wie er selbst?
Der Herzog zog eine finstere Miene und strich über seinen kurzen Bart. Jetzt musste er vorsichtiger sein als jemals zuvor – Alan verdächtigte ihn, und auf keinen Fall durfte der Knappe Beweise finden, die ihn in seinem Verdacht bestätigten. Natürlich konnte man derartige Dinge auf unterschiedliche Art und Weise regeln. Möglicherweise würde er in naher Zukunft etwas unternehmen müssen. Vor allem musste er dafür sorgen, dass Alan ohne jegliches Aufsehen verschwand.
Vielleicht war es sogar unerlässlich, erst einmal Alan umzubringen, bevor er Jonathan aus dem Weg räumte. Aber er musste vorsichtig und geschickt vorgehen. Er durfte keinen Verdacht erregen.
Roger wollte keinen wüsten Bürgerkrieg, der Tortall verwüstet und finanziell ruiniert zurückließ. Er wollte sich auch keine Männer wie Herzog Gareth oder Sir Myles zum Feind machen. Er wollte lediglich, dass sein Onkel, seine Tante und sein Vetter innerhalb der nächsten fünf Jahre eines natürlich wirkenden Todes starben, damit keiner behaupten konnte, er habe sich den Thron unrechtmäßig angeeignet. Er war nicht in Eile. Jetzt, wo die Königin keine Kinder mehr bekommen konnte, hatte er viel Zeit, obwohl es gewiss nichts schaden konnte, wenn er sicherstellte, dass Herzog Gareth, Myles und auch der König kein Misstrauen gegen ihn hegten.
Und was war mit Alan von Trebond, der ihn schon jetzt verdächtigte? Das war eine Überlegung wert. Diese Sache musste er sich unbedingt durch den Kopf gehen lassen.
3
Der Knappe des Prinzen
Im August, am Tag vor Jonathans Geburtstag, machte sich Alanna spätabends auf den Weg zum Tanzenden Täubchen, das den Untertanen des Königs der Diebe als Treffpunkt diente. Sie erinnerte Trusty an seine guten Manieren, setzte ihn auf ihre Schulter und betrat die Schenke. Sie brauchte einen Moment, bis sie sich an den Rauch und den Lärm in der großen Wirtsstube gewöhnte; die Diebe und ihre Begleiterinnen waren lauter als gewöhnlich. Sie begrüßten Alanna und Trusty mit Freudengeschrei und luden Knappe und Kater ein, sich zu ihnen zu setzen. Alanna nickte Georg zu, der an seinem üblichen Platz bei der jetzt kalten Feuerstelle saß. »Danke«, erklärte sie den anderen. »Aber ich bin wegen einer Besorgung hier.«
»Kommst du denn nie mal vorbei, um was zu trinken?«, wollte ein Mann wissen, den man den Gelehrten nannte. »Was für ’n nüchterner Kerl! Du und dieser Johnny – nie trinkt ihr auch nur’nen einzigen Tropfen!« Keiner der Diebe wusste, dass Georgs junger Freund, der reiche Johnny, in Wirklichkeit Prinz Jonathan war.
»Das nenn ich nicht normal!«, rief Langfinger. Er zog sich eine hübsche Blumenverkäuferin, die »Lachende Nell« genannt
wurde, auf den Schoß. »Nicht mal zur Feier von Prinz Jonathans Geburtstag willst du was trinken?«
Alanna lachte. »Ihr feiert den Geburtstag Seiner Hoheit? Es ist ja noch nicht mal Mitternacht! Weiß er denn, dass du ihm so treu ergeben bist, Langfinger?«
Alle blickten zu Georg hinüber, als der sich erhob. »Langfinger trinkt ganz einfach gern, Alan.« Langfinger nickte und grinste. »Und wenn er keinen Anlass findet, dann trinkt er aus Kummer. Komm mit nach oben, Kleiner.«
Alanna folgte dem König der Diebe in seine Zimmer und ließ sich erleichtert auf einen Stuhl sinken. »Göttin, bin ich müde!«, gähnte sie, während Trusty zuließ, dass ihm Georg die Ohren kraulte. »Ich bin heute schon vor Morgengrauen aufgestanden, und morgen steht mir dasselbe bevor. Vielleicht sollte ich mir’s anders überlegen und stattdessen Stallbursche oder so was werden.«
Georg schenkte sich und Alanna Wein ein und riss dann die Fensterläden auf, um den kühlen Nachtwind hereinzulassen. »Meiner Meinung nach ist jeder verrückt, der Ritter werden will. Ich habe erfahren, dass du dich heute ganz gut gemacht hast bei Herzog Gareths Unterricht.«
Alanna lachte, während Trusty das Zimmer erforschte. »Du bist unglaublich, Georg. Wenn sich nur die Spione unseres Königs in Tusain ebenso geschickt anstellen wollten wie du!«
»Das ließe sich machen«, murmelte er.
Alanna setzte sich kerzengerade auf. »Willst du damit sagen, du könntest ... du würdest ...?«
»Ja, ich könnte schon ein paar Erkundigungen einholen. Aber du müsstest erst einmal eine Möglichkeit finden
Weitere Kostenlose Bücher