Alantua
sonst
Wundbrand und Fieber.
Sie
hob die linke Hand über den rechten Unterarm und schloss erneut
die Augen. Langsam bewegte sie die Hand über die Wunde. Im
Inneren fand sie das sachte Leuchten ihrer Magie. Und dann –
nach einem weiteren Moment der Konzentration – sprach sie es
aus:
„
Ohstrawiteh!“
Das
Leuchten explodierte. Ihre Verletzung brannte. Entsetzt schrie sie
auf. Tränen des Schmerzes rannen aus ihren Augen. Sie traute
sich nicht, sie zu öffnen.
„Anyún?
Ist etwas passiert?“ Ihre Stiefmutter klopfte an die Tür.
Bei
den Göttern, nun würde sie wirklich Ärger bekommen.
Anyún
öffnete die Augen. Die Verletzung war verschwunden.
Melena
trat mit gerunzelter Stirn ein. „Ist hier alles in Ordnung? Ich
meine, ich hätte dich schreien hören?“
Rasch
wischte Anyún die Tränen fort. „Es ist alles in
Ordnung, Mutter. Ich habe nur ... geübt.“
Melenas
Blick fiel auf das violette Buch. Anyún schlug es wie
beiläufig zu und erhob sich. „Aber für heute reicht
es wohl.“
„Das
Abendessen ist bald fertig. Dein Vater wird auch jeden Moment nach
Hause kommen...“
„Ich
... ähm ... bin müde.“ Anyún wagte es kaum,
ihrer Stiefmutter in die Augen zu sehen. „Ich gehe auf mein
Zimmer.“
Melena
seufzte tief auf. Sie sorgte sich, das spürte Anyún.
Dabei gab es doch wirklich keinen Grund dazu. „Also gut, geh
auf dein Zimmer. Aber falls du Hunger bekommst, werde ich in der
Küche eine Kleinigkeit für dich aufheben.“
Anyún
lächelte dankbar.
Orangefarbenes
Licht fiel auf Anyúns Bett. Sonnenuntergang. Die Nachricht
fiel ihr wieder ein. Der Absender würde bestimmt enttäuscht
sein. Dabei musste er doch wissen, dass sie sich kaum kannten und
eine junge Dame nicht einfach so zu einer Verabredung mit einem
Fremden eilte. Er wusste sicher auch, wessen Tochter sie war und
welches Gerede es bereits wegen des Vorfalls auf dem Marktplatz
gegeben hatte.
Anyún
verstaute die beiden Bücher, die sie aus Vaters Arbeitszimmer
mitgenommen hatte, unter ihrem Kopfkissen. Andererseits würde
Anyún nicht mehr lange auf dieser Insel bleiben. Wenn der
Absender – sie glaubte immer noch, dass es der Novize war –
sich bei ihr bedanken oder entschuldigen wollte, so sollte er die
Chance dafür bekommen. Sie war höchst neugierig auf das,
was er zu sagen hatte. Und ein kleiner Spaziergang an der frischen
Luft würde ihr nach ihrer magischen Übung gut tun.
Sie
konnte es noch immer nicht glauben. Die Wunde war verschwunden. Unter
der Haut spürte sie nur noch ein leichtes Kribbeln, wie ein
Nachbeben der magischen Explosion.
Ihre
Eltern und Geschwister hatten sich im Salon zum Abendessen
versammelt. Anyún konnte hören, wie sie sich gegenseitig
von den Erlebnissen des Tages berichteten und dabei lachten und
scherzten. Gerne hätte sie bei ihnen gesessen und berichtet, was
sie selbst gerade erlebt hatte. Ob ihr Vater nicht auch stolz auf sie
sein würde? Noch war sie aber nicht bereit dazu. Sie musste erst
einmal selbst darüber nachdenken, was dies für sie
bedeutete.
Leise
verließ sie ihres Vaters Haus, zog die Kapuze ihres erdfarbenen
Umhangs über ihre rotbraunen Locken und ging gen Osten.
Er
stand unweit des Eingang gehüllt in einen hellen Umgang des
Lichts. Doch als Anyún näher kam, wirkte er größer
und kräftiger, als sie ihn in Erinnerung hatte.
„Ich
dachte schon, du kommst nicht“, wurde sie amüsiert
begrüßt.
Anyún
blieb stehen. „Ihr?!“
Nicht
der Novize wartete hier auf sie, es war Xeros, der Krieger Zaroms.
„Komm.“ Er nahm sie sanft am Ellbogen und führte sie
einige Schritte weiter. Die Gläubigen, die noch vereinzelt in
den Tempel gingen, schenkten ihnen kaum Beachtung. „Wen hattest
du erwartet? Den kleinen Prediger?“
Anyún
lief rot an. „Ich dachte, er wollte sich bei mir bedanken ...
oder entschuldigen ... oder was auch immer.“
„Ich
glaube, er liegt in seiner Kammer und macht sich noch immer in sein
schöne weiße Robe.“
Wieso
war er so gemein? Und was wollte er überhaupt von ihr? Sie
befreite sich aus seinem Griff. „Mit Euch habe ich nichts zu
schaffen.“
„Willst
du denn gar nicht wissen, weshalb ich dich hierher gebeten habe?“
Natürlich
wollte sie das, doch das würde sie nicht zugeben. „Ich
werde jetzt nach Hause gehen. Mein Vater wird sehr wütend
werden, wenn er hiervon erfährt.“
„Und
trotzdem hast du dich aus dem Haus geschlichen, unschuldige, kleine
Anyún Tarzos. Und das war nicht das erste Mal.“
Er
spielte
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