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Alantua

Alantua

Titel: Alantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Bernett
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unterrichtet, wenn es seine
Zeit erlaubte.
    In
den Bücherregalen suchte Anyún nach den Werken der
Heilkunst. Semeros Tarzos war zwar ein Anhänger der Erdgöttin,
die auch Heilkräuter hervorbrachte, doch er selbst war kein
Heiler. Seine magischen Fähigkeiten bezogen sich auf Erde und
Steine. An vielen baulichen Projekten hatte er mitgearbeitet und
wurde auf der Insel hoch geachtet. Die Auswahl seiner medizinischen
Bücher war eher bescheiden. Anyún fand gerade einmal zwei
Bände. Das eine war ein älteres Werk mit abgegriffenem
Ledereinband über Kräuter und ihren medizinischen Nutzen.
Vermutlich hatte er es von seinem eigenen Vater geerbt, der ein
großer Heilmagier gewesen war. Das andere Werk hatte einen
samtenen Einband in der Farbe von reifen Pflaumen und wirkte kaum
benutzt. Sie legte beide auf Vaters Schreibtisch, machte es sich in
seinem Stuhl bequem und blätterte zunächst das lederne Buch
durch. Sie besaß zwar ein Grundwissen an Kräuterkunde,
doch viele der genannten Pflanzen waren ihr fremd. Interessiert
betrachtete sie die Zeichnungen. Melena hatte stets einige
Heilkräuter vorrätig. Mit fünf Kindern im Haus gab es
oft genug kleinere Kratzer und Krankheiten zu versorgen. Anyún
hatte jedoch nicht die Absicht, ihrer Stiefmutter von der Verletzung
zu berichten. Ihre Eltern machten sich schon genug Sorgen um sie.
    Das
violette Buch trug keinen Titel auf dem Einband. Als sie es öffnete
wirkten die Blätter vergilbt und leicht brüchig. Der
Einband war also restauriert worden und es war älter, als sie
angenommen hatte. Die Schrift war verblasst und sehr verschnörkelt.
Sie hatte Mühe, die Worte richtig zu entziffern. Als sich die
Buchstaben zu Worten und die Worte zu Sätzen zusammenfügten,
begriff Anyún, was sie da vor sich liegen hatte: Ein Buch der
Heilmagie.
    Sie
wunderte sich darüber, dass ihr Vater ein solches Buch besaß.
Hatte er es von seinem Vater erhalten? Bücher über Magie
waren auf der Insel der Magier natürlich überall zugegen.
Hier, wo Zauberer aller Elemente und jeden Glaubens ausgebildet
wurden und Hohe Magier ihren Studien nachgingen. Sie befand sich im
Zentrum des magischen Wissens. Doch wahre Heilmagie war selten. Nur
wenige beherrschten sie. Die meisten Heiler benutzten Kräuter
und segensreiche Gebete, um die Götter um ihre Gunst für
die Erkrankten und Verletzten zu bitten. Die wenigsten Heiler nutzten
reine Magie. Denn diese Kunst war schwierig und nur wenige brachten
die nötige Begabung dafür mit sich. Anyún hätte
ein solches Buch eher in einer der großen Bibliotheken
vermutet, als im Arbeitszimmer ihres Vaters.
    Interessiert
blätterte sie darin, vergaß die Welt um sich herum und war
neugierig, ob sie darin einen Heilzauber für ihre Verletzung
finden würde. Sie entdeckte Sprüche und Rituale, die bei
Fieber, Ausschlägen, Zahn- und Kopfschmerzen sowie Rheuma
anzuwenden waren. Dann folgte ein großes Kapitel zu
Knochenbrüchen aller Art. Schließlich fand sie das Kapitel
zu Schnitt- und Fleischwunden. Es drehte ihr fast den Magen um, als
sie einige Zeichnungen zu diesem Thema sah. Mit gerunzelter Stirn
versuchte sie, diese zu ignorieren und sich ganz auf die
geschriebenen Worte zu konzentrieren.
    Das
Tageslicht schwand allmählich. Sie entzündete die Kerze auf
dem Schreibtisch und las weiter. Dann fand sie tatsächlich einen
geeigneten Zauberspruch ... oder vielmehr ein einzelnes Wort. Sollte
sie es wagen? Ihre Verletzung war ja nicht sehr groß und das
Wort sah recht harmlos aus. Die Beschreibung, welche Geste dazu zu
vollbringen war und wie die Magie heraufbeschworen wurde, war sehr
genau. Was sollte also schiefgehen? Ihr Herz schlug schneller. Sie
schloss die Augen und atmete tief ein und aus.
    Sie
war immerhin in der Lage, Feuer aus dem Nichts entstehen zu lassen,
ebenso wie einen kleinen Stein nur durch Magie zu bewegen. Die Magie
in ihr
war
vorhanden, wenn auch nur gering. Sie erwartete nicht viel. Wenn die
Wunde wenigstens ein bisschen gelindert würde, wäre sie
schon zufrieden. Und wenn nichts passierte, so hätte sie es
wenigstens versucht.
    Anyún
atmete nochmals tief in ihre Mitte, suchte das blasse Leuchten, als
das sie ihre Magie empfand. Sie krempelte den Ärmel ihres
Kleides hoch und entfernte den Verband. Dunkelrot und mit klebriger
Kruste offenbarte sich der Schnitt. Es pochte und roch unangenehm.
Wenn der Heilzauber nicht funktionierte, musste sie einen Heiler
aufsuchen oder ihre Stiefmutter um Hilfe bitten. Sie riskierte

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