Alarm in Sköldgatan
Polizeibeamten, die auf die eine oder andere Weise mit dem Brand in der Sköldgatan zu tun gehabt hatten, war Gunvald Larsson der einzige, der aus den sogenannten besseren Kreisen stammte. Sein Vater hatte zu den Reichen der Stadt gezählt, obwohl sich dann bei der Aufteilung der Erbschaft nicht mehr viel Geld angefunden hatte. Er selbst war in dem damals exklusiven Stadtteil Östermalm aufgewachsen und auf die besten Schulen gegangen. Aber sehr bald entwickelte er sich zum schwarzen Schaf der Familie. Er entwickelte Ansichten und Meinungen, die aus dem Rahmen der Familie fielen, dazu hatte er die unangenehme Eigenschaft, sie meist zur unpassenden Zeit zu äußern. Schließlich hatte der Vater keinen anderen Ausweg mehr gesehen, als ihn Marineoffizier werden zu lassen.
Beim Militär hatte es Gunvald Larsson nicht gefallen, deshalb wechselte er nach einigen Jahren zur Handelsflotte über. Dort merkte er bald, daß seine Kenntnisse und Erfahrungen, die er auf der Seekriegsschule und an Bord von Minensuchern, Zerstörern und vorsintflutlichen Kanonenbooten gesammelt hatte, nicht besonders viel zählten.
Alle seine Geschwister hatten sich noch zu Lebzeiten der Eltern eine gesicherte Existenz geschaffen. Er verkehrte nicht mit ihnen und hatte sie so gut wie vergessen.
Da er nicht den Rest seines Lebens als Seemann verbringen wollte, mußte er sich nach einem anderen Beruf umsehen, am besten einem, der nicht allzu langweilig war und bei dem ihm seine sonderbare Ausbildung in irgendeiner Weise angerechnet wurde. So wurde er denn Polizeibeamter, zur Verwunderung und zum nicht geringen Entsetzen seiner Verwandten in Lidingö und Östermalm.
Die Ansichten über seine Befähigung zum Polizeibeamten waren geteilt. Außerdem konnte ihn fast niemand leiden.
Er arbeitete meist nach seinen eigenen Methoden, und sein Arbeitsstil war zumindest ungewöhnlich. So auch die Liste, die vor ihm auf dem Schreibtisch lag:
Göran Malm, 42, Einbrecher, tot (Selbstmord?) Kenneth Roth, 27, Einbrecher, tot, begraben Kristina Modig, 14, minderjährige Prostituierte, tot, begraben Madeleine Olsen, 24, rothaarige Hure, tot Kent Modig, 5, Kind (Kinderheim)
Clary Modig, 7 Man., Säugling (Kinderheim)
Agnes Söderberg, 68, senil, Rosenlunds Altersheim Herman Söderberg, 67, alter Säufer, Högalids Pflegeheim Max Karlsson, 23, Verbrecher, Timmermansgatan 12 Anna-Kajsa Modig, 30, Prostituierte, Süd-Krankenhaus (Psychotherapie) Carla Berggren, ?, Prostituierte, Götgatan 25 Gunvald Larsson las die Liste durch und stellte fest, daß praktisch nur die letzten drei Personen in Frage kamen. Von den übrigen waren vier nicht mehr am Leben, zwei Kleinkinder und zwei hoffnungslos verkalkt.
Dann faltete er das Blatt zusammen, steckte es in die Tasche und ging. Auf dem Hof stieg er in sein Auto, das die ganze Zeit im Freien gestanden hatte, und fuhr nach Hause.
Sonnabend und Sonntag blieb er zu Hause und las einen Roman von Sax Rohmer.
An den Brand verschwendete er keinen Gedanken.
Am Montag, dem 18. März, stand er früh auf, riß die letzten Pflaster ab, duschte, rasierte sich und zog sich an. Danach setzte er sich ins Auto und fuhr zu der Adresse in der Södergatan, wo die überlebende Carla Berggren wohnen sollte. Er mußte zwei Stufen hinaufgehen, quer über einen asphaltierten Hof und dann noch einmal drei schmutzige Treppen hinaufsteigen, deren braune Farbe abblätterte und deren Geländer bedrohlich wackelten, bevor er endlich vor einer altersschwachen Tür mit einem Briefkasten aus Blech und einem handgeschriebenen, schief ausgeschnittenen Kärtchen stand, auf das jemand mit der Hand Carla Berggren, Fotomodell geschrieben hatte.
Eine Klingel gab es offenbar nicht. Daher hämmerte er ganz einfach an die Tür, öffnete und trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten.
Die Wohnung bestand nur aus einem einzigen Zimmer. Es herrschte ein Halbdunkel, weil das zerflederte Springrollo bis zur Hälfte heruntergezogen war. Die Luft war muffig und heiß.
Die Wärme kam von zwei altertümlichen Heizsonnen mit glühenden Spiralen. Kleidungsstücke und andere Dinge lagen überall verstreut herum. Das Bett war das einzige Möbelstück, das nicht reif für die Müllgrube war. Es war ziemlich groß, und die Bettwäsche schien einigermaßen sauber zu sein.
Carla Berggren war allein zu Hause. Sie war wach, lag aber im Bett und las in einer Illustrierten. Ebenso wie das letztemal, als er sie gesehen hatte, war sie nackt und sah im großen und ganzen nicht viel
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