Alarmstufe Blond
den Schultern. »An ein altes, verfallenes Haus.«
Er nickte. »Ich wollte dir davon erzählen, als ich dich dort abholte, aber irgendwie passte es nicht. Das alte Haus wollte ich damals beziehen, als ich frisch verheiratet war. Das heißt, ich wollte es aufmöbeln und darin wohnen, aber meine Frau wollte nicht. Sie hatte keine Lust auf das Leben hier. Sie ist dann in der Stadt geblieben und ich habe das Haus verfallen lassen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Es ist wirklich schade darum. Mir gefällt es sehr.«
»Aber auch du wirst in die Stadt zurückkehren. Weißt du, ich habe lange überlegt, ob ich dich heute einlade. Die ganze Zeit dachte ich, du bist nur wieder eine von denen, die auf uns herabsieht und uns verachtet, bloß weil wir hier etwas einfacher leben…«
»Das tue ich nicht!«, unterbrach ich ihn, doch er hob die Hand.
»Ich weiß, ich war auch noch nicht fertig. Als mir Emma-Louise erzählte, wie lieb du dich um sie gekümmert hast und dass du die Grabrede und den Artikel für Alberts Zeitung verfasst, wusste ich, dass du doch nicht so kalt und herablassend bist. Deshalb habe ich dich heute um eine Verabredung gebeten, obwohl ich weiß, dass du in ein paar Tagen wieder verschwunden sein wirst. Ich wollte wenigstens einen Abend mein Glück mit dir genießen. Und in der Hoffnung, dass du es dir ja vielleicht noch anders überlegst.«
Er schmunzelte.
Ich verzog den Mund. Es war zwar wunderschön, was er gesagt hatte, aber da war die Sache mit meiner beginnenden Karriere. »Ich erhalte einen neuen Job, wenn ich in die Stadt zurückkehre. Ich habe zwar überhaupt keine Lust auf meine Chefin, aber das Schreiben an eigenen Artikeln und endlich als Redakteurin akzeptiert und geschätzt zu werden, darauf freue ich mich.«
Er nickte verständnisvoll, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass er eine andere Antwort erhoffte. »Das hatte ich befürchtet. Falls du doch vor deiner Chefin fliehen musst, weißt du, wo du uns findest.«
Ich lächelte ihn an und verspürte schon in diesem Moment Herzschmerzen bei dem Gedanken, diesen tollen Mann in wenigen Tagen wieder verlassen zu müssen. Da fiel mir ein winziger Teil eines Satzes ein, den er gerade gesagt hatte. »Wieso sagst du ›Alberts Zeitung‹? Was hatte er damit zu tun?«
»Er hat heimlich und unter einem Pseudonym Artikel für die Regionalzeitung geschrieben. Das wussten nur wenige, nicht einmal Emma-Louise. Er war PC, falls du sie mal gesehen hast.«
Wieder war ich baff. Dieses Dorf steckte voller Geheimnisse.
»Ja, ich habe etwas von ihm gelesen. Er hat gut geschrieben.«
»Der Pfarrer gibt die Zeitung heraus, aber er hat es eigentlich nur noch für Albert gemacht, damit der beschäftigt ist. Die Einnahmen kommen zwar immer dem ganzen Ort zugute, so dass wir im Sommer ein Sommerfest feiern und im Winter einen Weihnachtsmarkt auf die Beine stellen können. Aber ich denke nicht, dass er sie weiterführen wird, jetzt, wenn Albert nicht mehr da ist.«
»Das wäre sehr schade.«
Er zuckte mit den Schultern.
In diesem Moment kam das Essen. Es sah hervorragend aus, und als ich die ersten Bissen zu mir genommen hatte, konnte ich guten Gewissens behaupten, dass es auch hervorragend schmeckte.
Während des Essens plauderten wir noch ein wenig über dies und das, den Wein, sein Studium und Leben als Landarzt. Es war toll, sich mit ihm zu unterhalten, er war ein interessanter Gesprächspartner und wunderbarer Zuhörer, und ich konnte mich kaum an ihm sattsehen, wenn er lachte oder schmunzelte. Dann sah er einfach so umwerfend aus, dass ich am liebsten alles stehen- und liegengelassen hätte, nur um weitere Zeit mit ihm verbringen zu können.
Stunden später saßen wir dennoch wieder in seinem Auto, und er fuhr mich nach Hause. Es hatte leicht angefangen zu tröpfeln, so dass ich einen Grund hatte, noch ein Weilchen in dem Wagen sitzen zu bleiben.
»Zum Glück hat es vorhin noch nicht geregnet. Es wäre kein entspannter Abend für mich geworden, wenn ich dir wieder mit zerzausten, nassen Haaren und verdorbenem Kleid hätte gegenübertreten müssen«, sagte ich. »Immerhin war ich dieses Mal in besserer Form als bei all unseren anderen Begegnungen.«
Er lachte wieder diese leise, sexy Lachen, bei dem es in meinem Bauch kribbelte. »Das hätte mich nicht gestört. Mich hat es auch nicht gestört, als du gar keine Kleider anhattest.«
»Oh nein!«, schrie ich auf. »Ich hatte diesen peinlichen Moment schon vergessen, und nun erinnerst du mich
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