Alasea 02 - Das Buch des Sturms
hoffen, dass die Herren im Inneren der Burg kernigere Männer beschäftigten als diese beiden aufgetakelten, schmalbrüstigen Kerlchen.
Gekleidet in Dunkelblau, mit pluderigem Firlefanz aus weichster Lammwolle und sogar einem Hauch von Straußenfedern hier und da, vollzogen die beiden Wachmänner ein Paraderitual mit viel Stiefelabsatzklacken und Schwerterklirren. Sie beendeten das putzige Schauspiel, indem sie die Schwerter vor dem Eingang zur Festung kreuzten, als ob das Kral und Tol’chuk ernsthaft am Eintreten hätte hindern können. Kral vermutete, dass selbst Mogwied diesem geckenhaften Paar einen guten Kampf hätte liefern können.
Kral räusperte sich und richtete das Wort an die beiden Wachen. »Wir kommen auf Wunsch der Herren der Festung«, sagte er.
Die beiden Wachen wiederholten ihr Ritual in umgekehrter Abfolge, bis der Weg nach vorn frei zugänglich war. »Ihr werdet erwartet«, intonierte einer der Wachmänner mit übertriebener Theatralik.
Der andere setzte die auswendig gelernte Litanei fort. »Der Burgmarschall erwartet euch hinter dem Tor, um euch zum Musikantensaal zu führen.«
Kral nickte und ging als Erster durch das massive Holztor der Wehranlage. Tol’chuk und Mogwied folgten.
»Die kommen mir vor wie Marionetten, die Soldaten spielen«, murmelte Tol’chuk mit einer Handbewegung zurück zu den beiden Wachen. »Nur dass Marionetten echter wirken.«
Kral grunzte zustimmend, während sie unter den Zinnen zum Innenhof der Festung gingen. Der Hof war mit Kopfsteinen gepflastert und machte zumindest einen ordentlichen, sauberen Eindruck. Ein gepflegt aussehender Stall begrenzte ihn zur einen Seite, und ein flacher Steinbau, offenbar eine Kaserne, zur anderen. Direkt geradeaus führte eine Treppe hinauf zur eigentlichen Burg.
Genau wie die Wehranlage war die Burg an sich zweifellos vor allem für das Wohlbefinden und nicht so sehr zum Schutz der Herren gebaut worden. Die Balkone und Balustraden, die die Front schmückten, mussten geradezu einladend für die Haken und Leitern marodierender Banden wirken, und die Fenster waren groß und zahlreich und boten einen leichten Zugang ins Innere der Burg.
Kral schüttelte den Kopf. Das hier war weniger eine Festung als vielmehr ein hübsches Spielzeug, Nippes, um das Auge zu erfreuen. Kral zweifelte allmählich daran, dass das Unterfangen dieses Abends klug war. Bestimmt konnten sie mit keinerlei echter Unterstützung vonseiten der Herren eines solchen Ortes rechnen.
Stirnrunzelnd trat er dem hoch gewachsenen, mageren Burgverweser entgegen, der starr unter einem Halbkreisbogen in der Mitte des Hofes stand. Der Mann war mit Seidengewändern und feinen Pantöffelchen bekleidet, und sein Duftwasser stieg Kral in die Nase, noch bevor er dem Kerl auf drei Schritte nahe gekommen war.
Mogwied musste niesen - laut wie ein Kanonenschlag.
Der plötzliche Krach riss diese dürre Marionette aus ihrer Erstarrung. »Ach, ihr seid gekommen«, sagte der Mann von oben herab und hob dabei die Hand zu einem flüchtigen Gruß. Er musterte die drei Männer. »Wir hatten eigentlich mehr Darsteller erwartet.«
Kral bemühte sich um einen gelassenen Ton. »Ich bedaure, einige liegen krank zu Bett. Aber wir werden es schon schaffen.«
Die Augenbrauen des Mannes hoben sich ein wenig, und er betrachtete Krals verbundene Rechte zweifelnd. »Na gut. Ja, ja, Findigkeit ist eine Tugend.« Er machte auf dem Absatz kehrt. »Ich heiße Rothskilder. Ich bin euer Verbindungsmann zu den Herren Mykoff und Riemer. Wenn ihr mir bitte folgen würdet: Ich bringe euch in den Saal, wo ihr eure Requisiten aufbauen« - er warf einen Blick über die Schulter zurück -»und euch etwas herrichten könnt, bevor ihr heute Abend vor den Herren auftretet.«
Mogwied ging jetzt neben dem Burgmarschall. »Wie überaus großzügig.«
Kral vermochte nicht zu beurteilen, ob der Gestaltwandler das ehrlich oder ironisch meinte. Mogwieds Zunge konnte so glatt sein wie der Bauch eines Aals.
Sie folgten Rothskilder in eine kleine Gasse, die zwischen der Kaserne und der Burg verlief. Natürlich benutzten Zirkusleute nicht die Haupttreppe. Das vertraute Plappern und Klappern einer Küche begrüßte sie.
»Kommt, kommt!« drängte ihr Führer sie weiter und führte sie mitten hinein in das Gewusel der Vorbereitungen für das abendliche Festmahl.
Kral ließ den Blick schweifen und fragte sich, ob bei der Veranstaltung auch für sie ein Abendessen eingeschlossen war. Der verführerische Duft von
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