Alasea 02 - Das Buch des Sturms
Og’ers war entschieden besser ausgeprägt als der seine.
Rothskilder verneigte sich. »Die edlen Herren Mykoff und Riemer«, verkündete er näselnd und steif, »Vizekönige von Schattenbach und Prinzen des großen Bergfrieds, Erben des Hauses Kura’dom.«
Ohne ein Wort schritten die beiden Herren zu ihren Sesseln. Die Wachen standen mit durchgedrückten Rücken und Schwertern in den Händen da. Rothskilder stellte sich gleich an der Schwelle der Tür auf.
Die Zwillinge bestiegen das Podest. Nachdem sie Platz genommen hatten, hob einer der beiden einen einzelnen Finger der Hand, die auf der geschnitzten Armlehne des Throns ruhte. Auf dieses Zeichen hin verließ Rothskilder mit einer ausgedehnten Verneigung rückwärts den Saal. Die Wachen folgten und zogen die Türflügel hinter sich zu; bald waren die beiden hohen Herren allein mit Krals Truppe.
Quer durch den Saal sahen die beiden Gruppen einander abschätzig an.
Um sie herum war das Knacken zu hören, mit dem hinter allen Türen die Riegel zufielen. Sie waren mit den beiden Herren eingeschlossen.
Endlich sprach eine der beiden blassen Gestalten, in leisem Ton, doch Kral verstand die Worte sehr deutlich. Obwohl die Stimme sanft klang, gab sie sich nicht den Anschein falscher Freundlichkeit. »Danke, dass ihr gekommen seid. So, welcher von euch Zirkusleuten ist nun der Elementargeist, der uns gestern Abend entkommen ist?«
Mogwied hörte, wie Kral tief Luft holte. Der Gestaltwandler hatte Krals Nervosität nach seinem seltsamen Schwächeanfall in den Nebengängen gespürt. Seit diesem Zeitpunkt war das Misstrauen des Gebirglers in höchstem Maße geweckt. Mogwied hatte eine Zeit lang gefürchtet, Kral würde die Vorstellung für diesen Abend absagen. Zum Glück besaß der Mann jedoch den Mut eines Dummkopfs und hatte sich trotz allem nicht von ihrem Vorhaben abbringen lassen.
»Also, los jetzt!« fuhr der hohe Herr auf dem Podest fort. »Wenn der Betroffene vortritt, lassen wir die anderen am Leben.«
Während Kral und Tol’chuk sich erst allmählich von dem Schreck erholten, den ihnen die beiläufige Enthüllung des Bösewächter-Status der Herren eingejagt hatte, überlegte Mogwied schnell. Er hatte sich ein Dutzend Pläne im Kopf zurechtgelegt, doch bei keinem war er davon ausgegangen, dass die Herrn so kühn und offen ihre Identität preisgeben würden. Er hatte Heimtücke und gemeine List erwartet. Dennoch passte er sich nun an die Gegebenheiten an und sah einen Weg, der zu seinem eigenen Vorteil führte. Er räusperte sich. Er würde sich genauso kühn verhalten müssen. Er trat vor. »Ich bin derjenige, den ihr sucht«, stellte er schlicht fest. »Wenn ihr über die Truppe Bescheid wisst, dann kennt ihr auch meine Begabung, dem Wolf meine Gedanken einzugeben. Ich beherrsche die Tiersprache.« Er stemmte die Fäuste in die Hüften. »So, jetzt lasst die anderen frei.«
Die Zwillinge warfen sich gegenseitig flüchtige Blicke zu und verzogen die Lippen zu einem verhaltenen Lächeln.
Kral zischte Mogwied zu: »Fall nicht auf sie rein! Ihre Zungen lügen. Sie wollen uns alle umbringen.«
Mogwied kehrte Kral den Rücken zu und verdrehte die Augen. Der Narr glaubte anscheinend, dass er wirklich die Absicht hatte, sich zu opfern. So ehrenhafte Männer wie Kral waren blind für irgendwelche Hinterhältigkeiten, die sich unter ihren Augen abspielten. Mogwied missachtete die weiteren Warnungen des Gebirglers. »Lasst die anderen frei«, wiederholte er, »dann ergebe ich mich euch freiwillig, ohne Widerstand.«
Tol’chuk zupfte ihn am Ärmel, aber Mogwied schüttelte ihn ab und trat noch einen Schritt näher zu dem Podest. Er musste diese beiden Gefolgsleute des Bösen dazu überreden, ihn zu ihrem Herrn und Meister zu bringen. Wenn er erst einmal dort wäre, könnte er den Aufenthaltsort der Hexe verraten und nicht nur seine Freiheit gewinnen, sondern auch die Dankbarkeit des Königs dieses Landes.
Mogwied bemerkte die Erheiterung in den Augen der Zwillinge bei seiner verschleierten Drohung. Er musste noch mehr Überzeugungskraft aufbieten, um die beiden für seine Zwecke einzuspannen. Bevor er noch weiter vortrat, griff er nach der Schale aus schwarzem Stein, die auf der Kiste stand. »Täuscht euch nicht. Ich bin euch schon einmal entkommen, obwohl ihr den Vorteil der Überraschung auf eurer Seite hattet. Bildet euch nicht ein, ich könnte euch jetzt nicht schaden.« Innerlich erschauderte er, da er den unheilvollen Stein berührte, doch er
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