Alasea 02 - Das Buch des Sturms
glitt. Sie lauschte auf die kleinen klatschenden Ruderschläge, mit denen das Schiff vorangetrieben wurde.
»Steuere die steile Felswand direkt vor uns an!« Flints Worte veranlassten Saag-wan, zu ihm hinzusehen. Sein ausgestreckter Arm deutete zu einer Stelle der Klippen, wo der Fels zerbröckelt und Geröll ins Meer gestürzt war. »Wir müssen hinter dieses zerklüftete Gestein und damit aus der Sicht des Hauptteils der Stadt gelangen.«
Kast grunzte zur Bestätigung und ruderte entsprechend, um das Boot zu der Felswand zu lenken. Er brachte sie in eine kleine Bucht, die von Steinbrocken und Klippenwänden gebildet wurde.
Saag-wan blickte nach hinten. Nun, da die Sicht verdeckt war, sah sie die Türme der Terrassenstadt nicht mehr. Sie drehte sich schnell wieder um. Selbst der versunkene Teil der Stadt war von der kleinen Bucht aus außer Sichtweite. Es war, als ob die Stadt innerhalb eines Wimpernschlags verschwunden wäre.
»Und wie weiter?« fragte Kast mürrisch.
Saag-wan betrachtete die Klippenwand. Sollten sie etwa hier anlanden und diesen feuchten, scharfkantigen Fels hinaufklettern?
»Das ist der Eingang zur Grotte«, erklärte Flint. Er hob die Hand zu den Lippen und erzeugte ein trillerndes Pfeifen.
»Nicht noch mehr Magik!« seufzte Kast missmutig. Er umklammerte das Ruder auf seinem Schoß so fest, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten.
Saag-wan sackte in sich zusammen; sie hatte keine Ahnung, Was sie erwartete. Sie bereitete sich auf einen weiteren unvermittelten Sprung von einem Ort zum anderen vor wie bei dem Bogen. Doch was dann wirklich geschah, erschreckte sie zutiefst.
Ein Teil der Klippenwand schimmerte plötzlich, legte sich in riesige Falten und teilte sich, sodass die Öffnung eines Meerestunnels dahinter sichtbar wurde. Sie zuckte vor dem Wunder zurück. Dann entdeckte sie zwei Männer zu beiden Seiten des Eingangs; sie waren mit Kutten bekleidet und hielten lange, mit Haken versehene Stangen in den Händen. Sie blinzelte ein paar Mal, als sie sah, wie die Männer die Stangen benutzten, um den Eingang zu dem Tunnel zu verbreitern. Sie brauchte einige Augenblicke, bis ihr klar wurde, was da geschah.
Kast sprach die überraschende Erkenntnis aus. »Das ist keine Magik, sondern ein Ledervorhang als Tarnung.«
»Genauer gesagt, handelt es sich um Seehundfell«, berichtigte Flint. »Es nimmt die Farbe besser auf, wenn es bemalt wird, um dem Gestein der Klippe zu gleichen, und verwittert auch täuschend echt.«
Kast fluchte leise vor sich hin, während er den Bug des Bootes so drehte, dass er auf die Öffnung zeigte.
»Nicht immer ist Magik vonnöten«, fuhr Flint fort. »Sie ist ein wertvolles Gut und darf nicht sinnlos verschwendet werden, wenn ein einfacher Trick denselben Zweck genauso gut oder besser erfüllt.«
»Wohin geht es da?« fragte Saag-wan, als sich das Boot dem Tunnel näherte.
Flint drückte ihr beruhigend die Hand. »Es ist nicht mehr weit.«
Es bedurfte einiger Ermutigung, um Conch dazu zu bewegen, dem Boot zu folgen, doch Saag-wans sanfte Berührung und liebevollen Worte überzeugten den immer schwächer werdenden Drachen am Ende. Sie sah den entsetzten Ausdruck, gemischt mit Ehrfurcht, in den Gesichtern der schweigenden Wachen am Eingang, als sie in den Tunnel glitten.
Flints Worte erwiesen sich als nicht ganz zutreffend. Der Meerestunnel führte in vielen Biegungen tief ins Inselinnere. Während der Fahrt betrachtete Saag-wan die Wände, die von vereinzelt angebrachten Fackeln beleuchtet wurden. Zu beiden Seiten des Tunnels verlief ein steinerner Gehweg, der von den Eingangswachen benutzt wurde. Saag-wan sah, wie Conchs Nase hin und wieder hinter dem Boot auftauchte. Die Fahrrinne war zu eng, als dass der Drache neben ihnen hätte schwimmen können. Selbst diese geringfügige Trennung machte Saag-wan nervös. Sie blickte sich immer wieder zu ihrem Freund um und vergewisserte sich, dass er ihnen folgte.
Schließlich, nach einer endlos erscheinenden Zeit, mündete der Tunnel in einen unterirdischen See von beträchtlichem Ausmaß. Das spiegelglatt daliegende Gewässer war groß genug, um sogar einem Hochseefischereiboot Platz zu bieten.
»Direkt vor uns ist ein Anlegesteg«, sagte Flint mit deutend ausgestrecktem Arm.
Saag-wan richtete sich im Sitzen ein wenig auf. Am anderen Ende des Sees war ein kleiner steiniger Strand. Sie bemerkte einen Holzsteg, der wie eine ausgestreckte Zunge in ihre Richtung zeigte.
Kast lenkte das Boot dorthin. »Wo sind
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