Alasea 02 - Das Buch des Sturms
Elementargaben, um in die Traumwelt zu gelangen und Einblicke in die Zukunft zu erhaschen.«
Schorkan drehte sich um und schritt im Zimmer auf und ab, während er sprach. Eine Spur von Erregung war seiner Stimme anzuhören; offenbar glaubte er, allmählich zu begreifen. »Natürlich, die Elementarenergien würden nicht ausreichen, um den Schleier der Zeit zu durchdringen. Deshalb habt ihr eure chirischen Kräfte benutzt, um eure angeborenen Elementarfähigkeiten zu verstärken. Erstaunlich.«
»Nein.« Greschym ließ das Wort wirken und lächelte innerlich, als der andere verdutzt stehen blieb. Er liebte den Ausdruck der Verwirrung in Schorkans Gesicht. Der verdammte Narr bildete sich immer ein, alles zu wissen. »Nein, wir haben unsere chirischen Kräfte niemals eingesetzt. Das Ganze hatte mit Chi gar nichts zu tun. Einige Mitglieder der Ho’fro waren nicht einmal Magiker, sondern nur Weber.«
»Unmöglich!«
Greschym zuckte lediglich mit den Schultern und ließ den anderen schmoren.
»Aber wie habt ihr es dann gemacht?« fragte Schorkan schließlich.
»Wir hatten Hilfe.«
»Von wem?«
»Von dem, der mich ruft, während wir hier miteinander sprechen.«
»Ich höre nichts.«
»Nur Weber vermögen den Ruf zu hören. Ragnar’k beruft eine Versammlung ein.«
»Wer … wer ist dieser Ragnar’k? Ich habe von so jemandem noch nie gehört.«
»Er ist der Grund dafür, dass diese Insel der Standort A’loatals wurde. Diese Insel ist seine Heimat. Er war schon hier, bevor der erste Turm gebaut wurde.«
»Wer ist diese Person?«
»Keine Person. Er ist ein Geschöpf reiner Elementarmacht, eine Verknüpfung von mannigfaltiger Energie, begraben im Herzen der Insel. Wie ein Magnetstein zog seine Macht die Magiker an, die sich dann daran machten, diese Insel zu bebauen. Niemand wusste von seiner Existenz, bis sein Ruf an die Magiker erging, die mit Elementarmagik gesegnet waren, und er sie um sich versammelte. Tief unter dem Fels der Insel wurde die Sekte der Ho’fro durch seinen Ruf gegründet.«
»Und aus welcher Materie besteht dieses Wesen Ragnar’k?«
»Ich bin mir dessen nicht sicher. Halb vergraben im vulkanischen Gestein des Inselherzens, befindet sich die roh gemeißelte Statue eines Drachen, wie zum Schlafen zusammengeringelt; es ist mehr ein grober Umriss als eine wirklichkeitsgetreue Darstellung. Manche behaupten, Ragnar’k sei ein Geist, eingefangen in dieser Statue; andere sagen, er sei wahrhaftig ein schlafender Drache, seit so langer Zeit im Schlummer verloren, dass er seine eigene Gestalt vergessen hat und sie zu dieser groben Form hat vergehen lassen. Ständig im Schlaf, lebt sein Geist in der Traumwelt, außerhalb seines Körpers, nicht mehr in der Gegenwart verhaftet, sondern durch die Zeit fließend. Indem wir zu ihm Verbindung aufnahmen, erhaschten wir Einblicke in die Zukunft sowie in die weit zurückliegende Vergangenheit.«
Schorkans Augen waren groß geworden. »Und von alledem hast du mir bisher nichts erzählt?«
»Wir wurden auf Geheimhaltung eingeschworen. Nach dem Niedergang A’loatals hielt ich Ragnar’k für längst tot, ertrunken in seiner unterirdischen Behausung. Welche Bedeutung habe so uralte Geschichten heute noch?«
»Warum erzählst du sie mir dann jetzt?«
»Ragnar’k ist nicht tot. Er ruft wieder. Seine Stimme spricht zu der Magik in meinem Blut.«
Schorkan wandte sich ab. »Dann lass uns diesen Ragnar’k aufsuchen. Er könnte sich als nützliches Werkzeug für Gul’gotha erweisen.«
Greschym packte den Prätor am Ärmel seines Gewands, erstaunt darüber, wie krank ihn diese Vorstellung machte. Seine Gefühle verwirrten ihn. Was scherte es ihn, wenn Ragnar’k vom Herrn der Dunklen Mächte vereinnahmt würde? Dennoch ließ er Schorkans Ärmel nicht los. »Das … das geht nicht. Die Wege da unten sind alle überflutet oder versperrt. Es ist unmöglich, zu ihm zu gelangen.«
»Ich werde einen Weg finden. Unter deiner Anleitung schaffe ich es bestimmt, einen neuen Pfad aufzutun.« Schwarze Energie knisterte entlang der Ränder des roten Gewands des Prätors. »Der Meister hat mich mit Gaben gesegnet, dank derer nichts außerhalb meiner Reichweite bleibt.«
Greschym ließ das Gewand los und wischte sich die Hand an seinem weißen Umhang ab, als ob er etwas Klebriges, Ekliges entfernen wollte. Als der Ruf des Steindrachen erneut in seinem Kopf widerhallte, bedauerte er es, den Prätor aufgesucht zu haben. Er wollte nicht, dass Schorkan Ragnar’k nahe kam. Es
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