Alasea 02 - Das Buch des Sturms
ins Wasser tauchte. Ihr flammendes Licht reichte nicht aus, um die gegenüberliegende Seite des großen Raums auszuleuchten. Es war, als ob nichts als der See jenseits dieser Treppe läge.
Elena blickte über die dunkle Fläche. »Wie kommen wir von hier aus weiter?« fragte sie. »Was soll ich tun?«
Cassa Dar watschelte zu ihr. Einer ihrer Jungen, diesmal nackt, folgte ihr im Schlepptau. Als sie auf Elenas Höhe war, zog sie den Jungen vor sich. »Ich habe versucht, meine Kinder auf den Try’sil anzusetzen. Ich weiß, wo er versteckt ist. Da ich ihre kleinen Hände benutzte, hat es fast ein Jahrhundert gedauert, um den Schutt wegzuräumen und den Zugang zu der Höhle zu entdecken, wo der Try’sil lag. Doch nur lebendige Hände können sich um seinen Griff legen und ihn von dannen tragen.«
»Willst du damit sagen, irgendjemand muss da hinunter gehen?« fragte Er’ril.
Die Zwergenfrau nickte. Sie richtete den Blick auf Elena.
»Ich vielleicht?« fragte Elena voller Entsetzen.
»Ja «, antwortete Cassa Dar und legte dabei die Hand auf ihren Sumpfburschen. »Eins meiner Kinder wird dich begleiten.«
»Aber wie soll ich atmen? Oder in diesem Wasser etwas sehen?«
»Ich werde es dir zeigen. Ich habe es hunderte von Wintern geübt.« Sie wies ihren Jungen mit einer Handbewegung an, ins Wasser zu gehen. Ohne zu zögern, trat er einfach ein paar Stufen tiefer in den See. »Kommt näher«, drängte Cassa Dar. »Seht euch das an.«
Alle knieten sich am Rand des Wassers nieder. In der Tiefe des Sees schimmerte die Gestalt des nackten Jungen. Sein Körper leuchtete in einem phosphoreszierenden Hellgrün, im gleichen Farbton wie einige der Leuchtmoose, die sie auf der Reise hierher gesehen hatten.
»Jetzt passt auf!« sagte Cassa Dar. »Ich habe viele Winter gebraucht, um eine Art von Blasentang mit einigen heimischen Schimmelsorten zu kreuzen. Dann habe ich eines meiner Kinder daraus geschaffen.« Sie deutete mit einem weit ausladenden Handschwenk über das Wasser.
Vor ihren Augen warf die Haut des Jungen, der vom Schimmellicht erhellt war, Blasen. Aus diesen Blasen strömte Luft. Nach einigen Augenblicken klärte sich das wilde Gewaber der Blasen, und der Junge stand in einer klaren Lufthülle da.
Mikela sah die Sumpfhexe an. »Kannst du diese Blase so weit ausdehnen, dass noch jemand darin Platz hat?«
»Bis jetzt ist mir das noch nicht gelungen«, antwortete Cassa Dar und wandte sich Elena zu. »Meine Magik reichte dafür nicht aus. Doch in Schattenbach habe ich deine ungebändigte Kraft gespürt und geahnt, dass du über genügend Magik verfügen könntest, um das zu schaffen.«
»Wie soll ich das anstellen?« fragte Elena. »Ich beherrsche meine Magik doch kaum.«
»Mir geht es nicht um Geschick und Können. Ich brauche lediglich deine Energie für meine Schöpfung.« Sie vollführte einen Handschwenk, der die gesamte Wasserfläche umfasste, und der Junge stieg heraus, tropfnass, vor Kälte schlotternd.
»Und wie mache ich das, deine Schöpfung mit Energie zu versorgen?« fragte Elena.
Cassa Dar nickte in Richtung des Jungen. »Er braucht dein Blut.«
»Moment mal«, fuhr Er’ril dazwischen. »Jetzt habe ich genug von diesem Unsinn gehört. Selbst wenn es stimmt, was du sagst, möchte ich nicht, dass Elena in die Tiefe dieses Sees hinabtaucht, um einen Hammer zu holen. Und wenn du glaubst …«
Elena schenkte ihm keine Beachtung. »Und wie soll ich dem Jungen mein Blut geben?«
»Kerbe deine Handfläche ein und ergreife seine Hand. Das Übrige erledige ich.«
Elena fiel ein, dass sie ihr Blut sowohl mit Onkel Bol als auch mit Er’ril geteilt hatte, als diese verletzt gewesen waren. Cassa Dar verlangte nicht von ihr, ihre Magik anzuwenden, sondern einfach nur deren Kraft zu teilen, so wie sie es mit den verletzten Männern getan hatte. Sie nickte zu den Worten der Zwergenfrau und zog den Hexendolch. Seine silberne Klinge glitzerte im Licht der Fackeln.
Plötzlich packte Er’ril sie am Handgelenk. »Ich kann es nicht zulassen, dass du dich in eine solche Gefahr begibst.«
Mikela stand dicht hinter Er’ril. »Vielleicht hat der Präriemann Recht. Das hört sich so gefährlich an, dass es in keinem Verhältnis zum möglichen Nutzen steht.«
Elena hielte den Blicken der beiden stand und zog ihren Arm aus Er’rils Umklammerung. »Ich übernehme die Verantwortung«, sagte sie und bezog sich damit auf das, was Mikela ihr erklärt hatte. Sie führte die Spitze des Dolches zu ihrer linken Hand und
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