Alasea 02 - Das Buch des Sturms
durchqueren.«
In aller Augen zeigte sich Besorgnis, aber niemand widersprach.
Schließlich ergriff Kral das Wort, und in seiner Stimme schwang Bitterkeit mit. »Ich hoffe, wir haben genügend Ersatzpferde.«
Elena verstand den Sinn der Worte des Gebirglers nicht, doch sie ging nicht weiter darauf ein. Jetzt war nicht die Zeit für Worte oder Erklärungen. Sie wandte Nebelbraut der Senke zu und atmete tief durch.
Während die anderen schweigend hinter ihr verharrten, streifte sich Elena den Handschuh von der rechten Hand. Der Fleck leuchtete bereits in rubin- und karmesinroten Spiralen. Sie richtete sich auf und ließ allein durch ihre Willenskraft das Hexenlicht heller aufleuchten. Eine Glut in der Farbe einer Mondrose erblühte in ihrer geöffneten Handfläche und breitete sich zu den Fingern aus.
Während sie sich konzentrierte, spürte sie, wie Er’ril seinen Hengst neben sie brachte. »Es soll sich allmählich aufbauen«, flüsterte er heiser. »Lass dich nicht davon überwältigen. Du kannst die Macht beherrschen.«
Elena senkte die Augenlider. Jetzt leuchtete ihre Hand strahlend hell in dem düsteren Wald. Magik kribbelte auf ihrer Haut. Die Macht war offenbar so viel größer als ihre kleine Gestalt. Wie sollte sie sich dagegen behaupten? Und wenn diese Kräfte erst einmal freigesetzt wären, wie sollte sie sie dann beherrschen?
»Vorsicht«, warnte Er’ril mit sorgenvoller Stimme.
Die Saat seiner Sorge fiel auf fruchtbaren Boden in Elenas Brust. Wieder sah sie das Bild ihrer Eltern vor sich, verschluckt von einer Wand aus Feuer, das ihr Körper entfacht hatte. Das Leuchten in ihrer Hand flackerte. Sie beherrschte ihre Magik heute kein bisschen besser als damals. »Ich … ich kann es nicht …«, stöhnte sie.
Er’ril legte ihr die Hand aufs Knie. »Doch, du kannst es, Elena. Die Magik liegt dir im Blut. Sie ist ein Teil von dir.
Beherrsche dich selbst, dann beherrschst du auch deine Magik.«
»Aber wie?«
Er drückte ihr Knie. »Vertrau mir, Elena. Ich weiß, dass du es schaffst.«
Sie hielt mühsam die Tränen zurück und sah zu Er’ril auf. Unter dem tiefdunklen Haar leuchteten seine Augen mit der Intensität seiner Überzeugung. In seinen harten Gesichtszügen sah sie die Stärke dieses Mannes, der ihr Beschützer war. Sie nickte. Dann holte sie tief Luft und wandte sich wieder dem von Spinnweben eingehüllten Wald zu. Sie verdrängte alle Gedanken aus ihrem Kopf und konzentrierte sich ganz auf die Magik in ihrem Blut. Nach wenigen Herzschlägen steigerte sich der flackernde Schimmer wieder zu einem hellen Leuchten.
Ja, sie würde es schaffen!
»Also, wenn du bereit bist …« Er’rils Stimme stach ihr wie eine Mücke ins Ohr.
»Sei still!« fuhr sie ihn schroff an. »Du hattest Recht. Ich weiß, was ich zu tun habe.«
Ihre linke Hand fuhr zu dem Messer in der Scheide an ihrem Gürtel und umfasste den Rosenknauf. Sie zog den Hexendolch, dessen Silberklinge karmesinrot glänzend das Leuchten ihrer Rechten spiegelte.
Die Magik schrie nach Blut.
Jetzt war Elena bereit zuzuhören.
Sie zog die Dolchschneide über das Fleisch ihres Daumens. Nachdem ihr Gefängnis aufgeritzt war, brach die Magik aus ihrer Wunde heraus; ein kaltes Feuer tobte in die Welt hinaus.
Nur mit Not konnte Elena ein Lachen unterdrücken, doch irgendwo tief in ihrem Innern, irgendwo, wohin sie nicht allzu genau zu blicken wagte, lachte ein Teil von ihr immer noch schallend in boshaftem Entzücken.
Das Brüllen der alles verzehrenden Flammen verfolgte Vira’ni. Auf ihrer Stirn glänzte Schweiß, und ihr Atem war ein abgehacktes Keuchen, als sie sich taumelnd vom Waldrand entfernte. Ihre Haare und ihre grüne Jacke waren überzogen von feinem Aschestaub, und ihre Tränen hinterließen Streifen in dem Ruß, der ihr Gesicht bedeckte. Mit wackeligen Beinen rannte sie weiter und versuchte, der Stimme des Feuers zu entkommen.
Mit einer Hand hielt sie sich immer noch den Bauch, um sich daran zu erinnern, warum die Erschöpfung sie nicht übermannen durfte. Sie musste die Saat der Horde beschützen. Sie durfte nicht zulassen, dass das Geschenk des Herrn der Dunklen Mächte mit ihr starb. Vor ihrem geistigen Auge sah sie immer noch den Flammentod ihrer Kinder vor sich. Wer immer diesen Wald in Brand gesteckt haben mochte, würde dafür bezahlen müssen - o ja, er würde dieses Verbrechen büßen. Die Wut beflügelte ihre schwachen Beine und ihr müdes Herz.
Sie brauchte einige Atemzüge und einige weitere Schritte
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