Alasea 02 - Das Buch des Sturms
Kräfte nach.
»Der bringt uns ’nen Batzen Silber ein. Wir sind reich!« rief ein anderer fröhlich.
Eine strengere Stimme ertönte auf dem Boot über ihr, rau und bedrohlich, eine Stimme, die das Befehlen gewöhnt war. »Bringt die Nase von dem Viech über Wasser, ihr blöden Heinis! Soll es vielleicht ersaufen?«
»Aber wieso brauchen wir es lebend? Was macht das schon …«
Wieder erklang die strenge Stimme: »Jeffers, wenn du es noch einmal mit dem Speer stichst, dann schieb ich ihn dir in deinen haarigen Arsch!«
Eine Stimme rief zurück: »Es kämpft immer noch, Käpt’n.«
»Lasst es einfach in Ruhe! Wartet ab, bis das Schlafmittel wirkt.« Dann senkte der Mann die Stimme, sodass nur die in seiner Nähe Stehenden seine Worte hören konnten. »Süße Mutter da oben, ich kann’s nicht glauben. Dann stimmt es also, dass ein Seedrache am Rand des Archipels gesichtet worden ist. Wer hätte das gedacht?«
»War keiner mehr gesehen worden, seit mein Opa jung war.«
»Aber ich hab reden hören, dass man den einen oder anderen in der Großen Wasserwelt entdeckt hat.« Er stieß einen leisen Pfiff aus. »Möchte bloß mal wissen, was so’n Viech hier in dem flachen Küstenstreifen zu suchen hat. Und warum es immer wieder hergekommen is.«
»Wahrscheinlich is das ’n oller Kerl. Schon tüttelig in der Birne.«
»Na ja, egal. Jedenfalls bringt er uns genug Silber und Gold fürs ganze Leben ein. Schaut euch nur das Prachtexemplar an!«
Saag-wan konnte nicht verhindern, dass ihr Tränen über die Wangen rannen. Conch, schickte sie ihm eine lautlose Botschaft, es tut mir so Leid!
»Kein übler Fang, Käpt’n. Da könnt man fast an die alten Geschichten von die Meerleute glauben.«
Die anderen lachten. »Na ja, Flint, nu schnapp mal nicht gleich über!«
»Ich sag ja nur, dass ich mir so meine Gedanken mache.«
»Na, am besten machst du dir mal Gedanken über die Kohle, die wir in Port Raul für ’nen lebenden Seedrachen kriegen. Seedrachenblut ist so rar und kostbar wie Herzstein. Ich hab gehört, dass die Fläschchen, die noch vom letzten Drachen übrig sind - das Viech ham’se vor zehn Jahren in der Gegend von Bigginsteg gefangen -, immer noch gute sechs Goldmünzen pro Tropfen bringen. So, da kannst du dir mal Gedanken drüber machen, Flint!«
Die Stimme des anderen klang jetzt überschwänglich vor Freude. »Ich kann mir gut das Gesicht von dem alten Tyrus vorstellen, wenn wir unsern Schatz an Land hieven.«
»Seine Männer müssen ihn an ’nen Masten anbinden, damit er sich nich jedes einzelne Haar aus seim verlausten Bart ausrupft vor Neid.«
Beide kicherten.
»Wir beide sterben als reiche Männer, Flint.« Dann erhob sich die Stimme wieder zu einem barschen Ton und dröhnte übers Wasser. »Jeffers! Was hab ich dir wegen dem Speer gesagt?«
»Aber, Käpt’n …«
»Jeder vergeudete Tropfen Blut geht von unserm Gewinn ab! Samel, bring den Blödmann Jeffers unter Deck! Der Nächste, der den Drachen ansticht, wird an ihn verfüttert.« Dann senkte er die Stimme wieder. »Dummpack!«
Saag-wan hörte schon nicht mehr zu. Ihr Blick war auf ihren Freund gerichtet, der in dem Netz verfangen war und um den herum sich eine Blutwolke ausbreitete. Angelockt durch das Blut, brachen hier und da die Flossen von Haien durch die Wasseroberfläche, wurden jedoch mit Speeren verjagt. Inzwischen hatte Conch aufgehört zu kämpfen; jetzt hing er schlaff in den Seilen. Sie sah, dass er noch atmete. Aber wie lange noch?
In Saag-wans Brust brannte ein unterdrücktes Schluchzen. Was sollte sie tun? Sie würde bis lange nach Einbruch der Nacht brauchen, um zu dem Leviathan zurückzukehren und den anderen zu berichten, was geschehen war. Doch selbst wenn der Ältestenrat beschließen würde, das Wagnis einzugehen, ihn zu befreien, wäre Conch längst dahingegangen, verloren zwischen den hunderten von Inseln des Archipels.
Sie schloss die Augen und traf eine Entscheidung. Sie konnte ihren Freund nicht im Stich lassen. Sein Leben hing von ihr ab.
Sie öffnete die Augen, griff an ihren Gürtel und löste das Haifischzahnmesser. Dann brachte sie ihren Lufthalm wieder an die richtige Stelle, tauchte unter die Wellen und schwamm mit kräftigen Fußstößen zu ihrem Freund.
In der Ferne kreisten Haie wachsam. Saag-wan spürte, dass deren schwarze Augen sie unverwandt beobachteten. Bis jetzt hielten die Speere sie im Zaum.
Saag-wan schwamm tief unter Conch, bis das Licht der Sonne durch den im Netz gefangenen
Weitere Kostenlose Bücher