Alasea 03 - Das Buch der Rache
nun wieder. »Es tut mir Leid, aber du musst, oder die Hexe, die du beschützen willst, wird sterben.« Er stand auf, und sie sah den granitharten Blick. »So hat der Wall gesprochen.«
Tol’chuk machte sich Sorgen um seine Mutter, obwohl sie erst kurze Zeit weg war. Obzwar er sich vorstellen konnte, dass man bei einem Geschäft mit Piraten besser nicht drängte, konnte er sein Herz nicht davon abhalten, nach ihr zu rufen. Er hatte sie verloren, als er noch ein Baby war, dann fand er sie wieder und sah sie sterben. Jetzt, da sie ihm ein zweites Mal geschenkt war, sorgte er sich umso mehr, auch wenn sie seine Seite nur für Zeit verließ und der Grund für ihre Abwesenheit wichtig war. Ferndal kehrte von einer Patrouille entlang des Hafens zu Lager zurück. Seine Augen glühten bernsteinfarben in der nebligen Dunkelheit. Als er beim Og’er angelangt war, schickte er ihm ein unscharfes Bild: Ein Wolfsjunges schmiegt sich an den Bauch seiner Mutter. Sie waren sicher, berichtete der Wolf, aber das mütterliche Bild einer Wölfin mit ihrem Jungen ließ Tol’chuks Herz noch mehr schmerzen.
Tol’chuk richtete sich auf seinen mit Klauen bewehrten Beinen auf und folgte Ferndal, der das Lager der Truppe umkreiste. Er musste in Bewegung bleiben, sich ablenken. Als Mogwied plötzlich aus der Dunkelheit auftauchte, war er froh darüber.
Der dürre Gestaltwandler begrüßte seinen Bruder mit einem Nicken, woraufhin der Wolf seinen Wachgang fortsetzte. Tol’chuk blieb an Mogwieds Seite stehen. Der Si’lura wollte ganz offensichtlich mit ihm sprechen. »Ich bin sicher, Mikela geht es gut«, beteuerte Mogwied.
»Ich weiß«, antwortete Tol’chuk. »Sie kann mit beiden Schwertern gut umgehen und hat von den Piraten wenig zu befürchten.«
Mogwied starrte in die vom Nebel verhüllten Gassen, die vom Hafen wegführten. »Aber dennoch machst du dir Sorgen.«
Tol’chuk schwieg. Es hatte schon Anlässe gegeben, da hatten sich dem Og’er die Haare aufgestellt, weil sich der Gestaltwandler so töricht verhalten hatte, aber ab und zu überraschte ihn der Mann auch mit seinem Einfühlungsvermögen.
»Du musst keine Angst um sie haben, Tol’chuk. Neben ihrer Schwertkunst beherrscht sie die Gestaltwandlung perfekt. Da sie ihr Erbe zurückerhalten hat, kann sie sich nun aus jeder Schlinge winden ja sogar wegfliegen, wenn nötig.« Tol’chuk legte eine Hand auf Mogwieds Schulter. Er hörte die Sehnsucht in den Worten des Gestaltwandlers. Für einen Augenblick spürte er auch, wie gefangen sich Mogwied in seiner jetzigen Gestalt fühlte, denn ein Entkommen gab es für ihn nicht. Tol’chuk wollte ihm einen Hoffnungsschimmer geben. »Wenn meine Mutter ihre Fähigkeiten zurückgewinnen konnte…«
»Das ist nicht dasselbe«, unterbrach Mogwied ihn missgestimmt. »Um mich zu heilen ich meine natürlich Ferndal und mich , bedarf es mehr als einer magischen Schlange.«
»Wir werden einen Weg finden.«
Mogwied blickte Tol’chuk mit feuchten Augen an. »Ich würde deinen Worten nur zu gern glauben, aber die Zeit wird langsam knapp.«
Da raste plötzlich Ferndal zwischen sie. Seine Bilder kamen hastig und verschwommen, doch die Bedeutung war klar. Eine große Gruppe näherte sich.
Tol’chuk folgte dem Wolf zum Anfang einer dunklen Straße, die sich in das schwarze Herz des Hafens bohrte. Auch Kral tauchte plötzlich neben ihnen auf, die Axt in der Hand. Merik, Mama Freda und die anderen hielten sich im Hintergrund. Mogwied zog sich zurück zu den Pferden und Wagen.
Aus dem Nebel kristallisierte sich eine große, dunkle Gruppe heraus. Als sie näher kam, wurden aus den geisterhaften Umrissen echte Menschen. Tol’chuk erkannte seine Mutter, die die Gruppe mit dem Sumpfbewohner an ihrer Seite anführte, ein großer Fremder marschierte auf der anderen Seite. Mikela hob eine Hand zum Gruß, die Handfläche nach vorn, was bedeutete, dass die Fremden ihnen nichts Böses wollten. Tol’chuk bemerkte jedoch, dass Kral seine Axt nicht aus der Hand ließ.
Mikela trug zur Begrüßung kein Lächeln auf den Lippen, sie kam also mit schlechten Neuigkeiten. Hinter ihr entdeckte Tol’chuk ein Trio aus dunklen Schatten: Frauen mit Zöpfen, die so golden glänzten wie der seiner Mutter. Alle drei waren sie mit den typischen überkreuzten Schwertern ausgerüstet. Sie hätten drei Schwestern seiner Mutter sein können.
Tol’chuk bemerkte auch eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Fremden, der neben ihr stand. Wie die drei Frauen konnte auch der
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