Alasea 03 - Das Buch der Rache
Fremde als ein Verwandter seiner Mutter durchgehen ein jüngerer Bruder vielleicht. Auch seine Kleidung war aus abgewetztem Leder und Stahl, aber statt der zwei überkreuzten Schwerter auf dem Rücken trug er ein langes Schwert an der Hüfte.
»Wir haben ein Schiff«, erklärte Mikela ohne Umschweife doch ihre Stimme ließ keine Zufriedenheit erkennen.
Kral sprach als Nächster. »Und wer sind all die anderen?«
»Unsere Mannschaft und die Krieger, die geschworen haben, Euch sicher zu Elena zu bringen«, antwortete sie mit fester Stimme.
Tol’chuk vernahm die doppelte Bedeutung ihrer Worte. »Was meinst du mit ›euch‹?« fragte er.
Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen. »Ich werde nicht mit euch gehen. Ich wurde gerufen, um einen anderen Pfad zu beschreiten.«
Das Entsetzen fuhr wie ein Blitz in Mikelas Gefährten.
»Was?« Tol’chuk konnte den Schmerz nicht aus seiner Stimme fern halten.
Da trat der Fremde vor. »Wir haben ein kleines Küstenschiff gefunden, das für die Wasserstraßen des Archipels gut gerüstet ist, und eine Mannschaft, bestehend aus vier Männern, dazu.« Der Fremdling deutete auf vier große, dunkelhäutige Seeleute, die hinter ihm standen. Sie trugen Federn im Haar, und ihre Augen funkelten jadegrün. Die Narben auf den Stirnen rührten nicht von Kämpfen her, sondern von alten Ritualen, und formten auf jedem Kopf ein anderes Muster. Sie sind mit Runen gezeichnet, dachte Tol’chuk.
Der Fremde sprach weiter. »Diese Männer werden euch auf eurer Reise gute Dienste leisten. Die Zo’ol sind erfahrene Krieger und Seeleute und mit allen Wasserstraßen des Archipels vertraut.«
Kral knurrte den Fremden an. »Und wer bist du?«
Mikela machte einen Schritt nach vorn. »Das ist Meister Tyrus«, stellte sie ihn vor.
»Der Anführer aller Mörder dieser Stadt?« fragte Kral mit hörbarer Verachtung.
»Und der Prinz von Burg Mryl«, verkündete sie bedeutungsvoll.
Diese Erklärung beruhigte den Gebirgler. »Mryl? Unter den Furchthöhen?«
»Ja«, antwortete Mikela und konnte Tol’chuk noch immer nicht ansehen. »Du müsstest die Burg eigentlich kennen. Sie beherbergte einst dein Volk, bevor es vor den Zwergenarmeen fliehen musste.«
Da steckte Kral schließlich seine Axt zurück in den Gürtel. »Ja, während der Vertreibung unserer Stämme. Wir schulden dem Blut der Burg so viel, dass wir es wohl niemals vollständig werden zurückzahlen können.«
Tyrus trat vor. »Niemals ist ein zu endgültiges Wort, Mann aus den Bergen.«
Kral legte die Stirn in Falten bei dieser rätselhaften Behauptung, doch es wurde ihm keine weitere Erklärung angeboten. Tyrus wandte sich ab, um die anderen Mitglieder der Truppe zu mustern, während Mikela und Jaston anfingen, die Abreise vorzubereiten. Tol’chuk konnte seine Mutter nur wie betäubt ansehen. Sie verließ ihn schon wieder? Dieser Gedanke hatte sein Herz noch nicht vollständig erreicht, was auch gut war, denn er fürchtete sich vor dem Augenblick, in dem das geschah. Seufzend machte er kehrt und beschäftigte sich damit, den Wagen zu beladen und die Pferde anzuspannen.
Als sie endlich alles zusammengepackt hatten, führte Tyrus seine Piraten und die Gefährten zum Hafen und auf eine lange Pier. Ganz am Ende der Pier hatte ein zweimastiges Küstenschiff festgemacht. Der Name, Bleicher Hengst, prangte in roter Farbe auf dem hellen Holz. Es war kein sehr großes Schiff, aber der Platz reichte für die Reisegesellschaft mitsamt ihren Pferden.
Mithilfe der zusätzlichen Hände hatten sie das Boot schnell beladen. Sie wollten mit der Morgenflut auslaufen. Die Vögel regten sich bereits in ihren Nestern unter den Brettern der Pier und begrüßten die nahe Morgendämmerung mit Pfeifen und lautem Kreischen.
Als die Arbeit getan war, versammelten sich alle auf der Pier. Mikela stand mit dem Rücken zu Tol’chuk und redete mit Jaston. Der Og’er trat näher, um hören zu können, was die beiden miteinander sprachen.
»… hätte es dir sagen sollen, ich weiß«, sagte Mikela. »Es tut mir Leid.«
»Nein, du schuldest mir keine Entschuldigung. Als wir zusammen waren, spürte ich, dass du einen Teil von dir vor mir verbargst. Ich wusste es, und das war wahrscheinlich auch der Grund mehr als mir bewusst war , warum ich damals bereits fühlte, dass du dein Leben niemals ganz und gar mit mir teilen würdest. Ich wusste, dass du mich mochtest, und ich mochte dich. Aber unsere Herzen teilten wir nicht in wahrer Liebe, nicht in der Liebe, die
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