Alasea 03 - Das Buch der Rache
keine Zeit für Tränen oder Trost. Dennoch steckte Er’ril sein Schwert in die Scheide und hob den Jungen an seine Brust.
Auf dem Weg zur Tür bemerkte Er’ril Elenas Blick. Ihr Gesicht war von Sorge und Hoffnungslosigkeit gezeichnet. Hätte er noch einen Arm besessen, er hätte ihn ihr gern als Stütze angeboten. Doch stattdessen musste er sie sanft weiterdrängen. »Wir müssen uns beeilen.«
Sie nickte. Ihr verlorener Blick verhärtete sich, während sie den schluchzenden Jungen ansah. Sie murmelte etwas in sich hinein, als sie zu ihm ging.
Er’ril gab vor, die Worte nicht gehört zu haben, doch er hatte sie verstanden. Es waren seine eigenen Worte, die er einst zu Elena gesagt hatte.
»… ganz Alasea blutet.«
Elena kletterte zusammen mit den anderen aus den rauchenden Gängen aufs Mitteldeck. Hinter ihnen schlugen die Flammen bereits gen Himmel und beleuchteten die frühe Morgendämmerung mit einem eigenen Licht. Leichen lagen auf dem Deck verstreut wie achtlos liegen gelassene und vergessene Stoffpuppen. Selbst in der Takelage hingen drei Männer im Seilgewirr. Sie waren einfach heruntergefallen von dort, wo sie gerade gearbeitet hatten.
Elena sah, dass die Flammen bereits am Focksegel leckten. Mit einem gewaltigen Rauschen raste das Feuer plötzlich das Segeltuch hinauf zu den Tauen und Masten des Schiffes. Heiße Asche regnete auf sie hernieder. Elena musste den Blick abwenden, als eine der Leichen, die wie eine Laterne über ihr baumelte, in Flammen aufging.
Neben ihr stellte Er’ril Tok aufs Deck. »Wir müssen das Schiff verlassen«, rief der Präriemann. »Das Feuer breitet sich schnell aus.« Wie um seine Worte zu unterstreichen, zerbarsten durch eine Explosion unter Deck die Deckplanken, und ein brennendes Ölfass wurde in hohem Bogen übers Wasser katapultiert.
Geduckt folgte Elena dem Präriemann nach achtern. »Was wird aus der Schwarzsteinstatue?« fragte Elena. »Wir können sie nicht einfach hier lassen.«
Er’ril winkte Flint und Joach zu sich, damit auch sie die Antwort hören konnten. »Welche Grauenhaftigkeiten auch immer diese Statue ausbrüten mag, das Meer wird sie an sich nehmen. Mehr können wir nicht erreichen.«
Elena schien davon nicht sehr überzeugt zu sein. Etwas so Böses würde nicht einfach im Wasser untergehen, nicht einmal in einem brennenden Schiff. Mit dem Hammer in der Hand betrachtete sie die Hauptluke.
Er’ril wusste, was sie dachte. »Nein, Elena. Welche böse Absicht auch immer dahinter stecken mag dass das Ding nach Winterberg gebracht wird, haben wir verhindert. Zumindest diesen Teil des Plans des Schreckensherrschers haben wir durchkreuzt.«
Flint kam mit aschfahlem Gesicht und auf Joach gestützt zu ihnen gehumpelt. Er musste erst den Rauch und die Asche aus seinen Lungen husten, bevor er sprechen konnte. »Wir haben ein Problem«, stieß er zwischen zwei Atemzügen hervor. »Es gibt keine Rettungsmöglichkeit auf diesem Schiff, es sei denn, wir springen über die Reling.«
Er’ril runzelte die Stirn und warf einen Blick durch den Rauch aufs Meer. Auch Elena suchte das Wasser ab. Sie waren weit entfernt von der Küste und noch weiter von den Inseln des Archipels.
Flint deutete auf die Küste. »Da. Seht ihr die Lichter?«
Elena kniff die Augen zusammen. »Wo…?« fragte sie, aber dann erkannte auch sie die verstreuten Lichter, die das felsige Ufer nördlich von ihnen beleuchteten.
»Das ist Port Raul«, erklärte Flint und gab es schließlich auf, gegen den Rauch anzuhusten. »Die Strömung hier ist stark, aber mit Treibgut vom Schiff könnten wir es vielleicht schaffen, ans Ufer zu schwimmen und über Land in die Stadt zu gelangen.«
Er’ril musterte die anderen. Elena wusste, dass er ihre Aussichten abwägte, gegen die Kälte und Strömung des Wassers zu gewinnen. Er machte sich Sorgen über die Erschöpfung, die sich in ihren Gesichtern ebenso spiegelte wie in seinem eigenen.
Flint beharrte weiter auf seinem Vorhaben. »Wir müssen vielleicht nicht einmal den ganzen Weg bis ans Ufer schwimmen. So nah an Port Raul wird man unser Feuer sicher entdecken. Die Plündererschiffe werden bestimmt gleich auslaufen.«
»Noch mehr Piraten?« fragte Joach.
Flint zuckte mit den Schultern und betastete die bereits heilende Wunde an seinem Nacken. »Solange es nur Piraten sind, werde ich ihnen ihre salzigen Füße küssen.«
Plötzlich ging auch das Hauptsegel in Flammen auf und erhellte die rauchige Düsternis. Elena fühlte die Hitze nun sogar
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