Alasea 03 - Das Buch der Rache
Wahrnehmung, jenseits aller Hoffnung, ergriff die Dunkelheit Besitz von ihr.
12
Elena erwachte langsam. Sie wollte sich gegen die Fesseln wehren, die sie gefangen hielten, bis sie bemerkte, dass es nur schwere Decken waren, die sie einhüllten.
»Schschhhh, mein Kleines. Du bist in Sicherheit.«
Als Elena den Kopf drehte, sah sie eine alte Frau, die sich in dem kleinen Raum zu schaffen machte. Sie erschrak, da die Alte herumfuhr und zum Bett kam. Über der kleinen Nase der Frau befand sich lediglich eine ebene Fläche aus dunkler Haut. Keine Augen. Elena erschauderte bei dem Anblick. »Wer…? Wo…?« Sie richtete sich mühsam auf. Dem mulmigen Gefühl in ihrem Magen nach zu urteilen, befand sie sich in einer Schiffskabine. Sie blickte sich in der kleinen Kammer um und entdeckte eine Seekiste und einen gedrungenen Tisch neben dem Bett. Es gab nicht einmal ein Bullauge.
Elena versuchte zu sprechen, doch ein plötzlicher Hustenanfall verhinderte das. Sie hustete und keuchte einige Atemzüge lang, dann spuckte sie einen schwarzen Schleimklumpen aus. Mit Tränen in den Augen sank sie zurück in die dicken Gänsedaunen des Bettes, zu schwach, um sich gegen irgendetwas zu wehren.
Die alte Frau, die das graue Haar zu einem Kranz oben auf dem Kopf zusammengesteckt hatte, beugte sich über Elena, während sie mit einem Weidenzweig in einem dampfenden Becher rührte. Der Inhalt roch nach Zimt und scharf nach Medizin. »Trink das.« Die alte Frau hielt ihr den Becher hin. »Ich weiß, dass deine Magik dich am Ende auch heilen könnte, aber du solltest zusätzliche Hilfe niemals abweisen.«
Elena drehte das Gesicht weg und fühlte, wie sich am Fuß des Bettes etwas unter die Decke schob. Sie zog die Füße an, und es tauchte ein Gesicht, umrahmt von einer feuerroten Mähne, aus einer Deckenfalte auf. Große, schwarze Augen blinzelten sie an, dann zappelte sich ein golden und braun geringelter Schwanz frei. »Tikal… Tikal… böser Junge«, schimpfte das Tier mit anklagender Stimme.
Elena stieg ein beißender Geruch in die Nase, der vom Ende des Bettes zu kommen schien. Das kleine Tierchen blickte sie seltsam bekümmert an, den Kopf gesenkt, den Schwanz um den Hals geschlungen.
Die alte Frau schalt das Tier und scheuchte es weg. »Entschuldige, meine Kleine«, meinte sie zu Elena und setzte sich auf die Bettkante, den Becher hielt sie unverändert in der Hand. »Tikal ist noch immer ganz aufgeregt wegen der Seereise. Normalerweise weiß er, dass er den Nachttopf benutzen muss. Ich werde dir gleich trockene Bettwäsche bringen.« Sie schnitt dem kleinen Tier eine Grimasse, worauf dieses zum Tisch flitzte und sich darauf niederließ. Dann wandte sich die alte Frau wieder Elena zu. »Er ist so aufgeregt, weil wir das letzte Mal an Bord eines Segelschiffes waren, als uns die Sklavenhändler gerade gefangen hatten.«
Elena spürte, dass von der Frau keine Bedrohung ausging, aber sie lag nackt unter den Laken und fühlte sich schutzlos. »Bin ich jetzt auf einem Sklavenschiff?« fragte sie heiser, ihr Hals war rau.
Die Frau lachte. »Ach du meine Güte, erinnerst du dich an gar nichts?« Sie lachte kurz auf. Es war ein freundliches Lachen. »Wir haben dich aus dem brennenden Schiff gerettet. Nun ja, genau genommen hat Tol’chuk das gemacht. Er hat dich bewusstlos in einem der unteren Decks gefunden. Zum Glück sehen die Augen eines Og’ers auch im Dunkeln außerordentlich gut, und der Stein führte ihn zusätzlich, so konnte er dich schnell finden. Noch ein paar Minuten länger, und der Rauch hätte dich umgebracht.«
Elena erinnerte sich an die scharfen Krallen und die dunkle Gestalt, die vor ihr aufgeragt hatte. »Tol’chuk?«
»Ja.« Die alte Frau tätschelte Elenas Knie durch die Bettdecke. »Zum Glück befanden wir uns bereits auf See, als wir euren Rauch aufsteigen sahen. Deshalb waren wir den anderen Schiffen aus Port Raul auch eine Nasenlänge voraus. Und jetzt trink dieses Elixier aus Bergwurzel und Gelbem Enzian. Das wird helfen, den Rauch aus deiner Lunge zu vertreiben. Der Husten wird sich in der nächsten Stunde wahrscheinlich verschlimmern, aber die Kräuter werden den Schleim lösen, sodass du ihn aushusten kannst.« Die alte Frau lächelte freundlich und hielt ihr den Humpen hin. »Doch am dringendsten brauchst du jetzt Ruhe.«
Diesmal nahm Elena den Becher. Das irdene Gefäß fühlte sich warm und beruhigend an in ihren klammen Händen. Elena konnte die heilenden Eigenschaften fast durch den Ton
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