Alasea 03 - Das Buch der Rache
die Mer’ai andere Seedrachen, die wie Juwelen durch das blaue Wasser glitten. Hinter ihnen verwischten sich die Konturen des gewaltigen Leviathans allmählich, der sich wie ein riesiger Berg durch das Meer schob.
Saag wan schloss die Augen und verlor sich in einem Nebel aus Sorge und Freude, bis Ragnar’k ihre Gedanken unterbrach. Bauch voll. Wohin nun?
Saag wan richtete sich auf und steckte die Füße in die Falten am Ansatz des Drachenhalses. Hinauf, befahl sie ihm, hinauf und davon.
Eine Flut der Begeisterung strömte durch Drache und Reiterin.
Nachdem er seine Halsfalten zusammengezogen hatte, um ihre Knöchel fest zu umschließen, breitete Ragnar’k die Flügel aus und tauchte in die Tiefe. Dann wechselte er in einem engen Bogen die Richtung, um Schwung zu bekommen. Saag wan musste sich gegen den Sog des Wasser stemmen. Sie glaubte schon, sie würde den Halt verlieren, doch da schnalzte der lange Schwanz des Drachen wie eine gezupfte Bogenseite. Ragnar’k schnellte empor, und seine Flügel schlugen wild, da er auf die Meeresoberfläche zuflog.
Saag wan schloss die Augen und klammerte sich an den Hals des Drachen.
Sie fühlte die Gewalt des Wassers, als Ragnar’k aus den Wellen brach. Meerwasser stürzte wie ein Wasserfall auf sie ein und wollte sie zurück in den Ozean schwemmen, aber der Drache hielt ihre Füße in den Halsfalten fest umklammert, und Saag wan krallte sich mit Händen und Nägeln an ihm fest.
Dann war es vorbei. Der Drache schwamm auf den Wellen, und die junge Mer’ai saß wieder ruhig auf seinem Rücken. Da wagte sie schließlich, die Augen zu öffnen.
Sie glitten nun über die Wellen, und der Wind peitschte ihr grünes Haar trocken. Saag wan starrte auf den fernen Horizont, während der Ozean wie eine riesige Fläche vor ihnen lag. Die Sonne versteckte sich hinter weißen Wolken, die über den Himmel jagten und dem Wasser den Glanz gehämmerten Silbers verliehen.
Die Himmel sind wütend, teilte Ragnar’k ihr mit.
»Was?« schrie Saag wan gegen den Wind an.
Plötzlich erschallte ein krachender Donner.
Sie reckte den Hals und entdeckte den Grund für die unheilvollen Worte des Drachen. Hinter ihnen, nicht weit entfernt, bestand die Welt nur noch aus schwarzen Wolken, strömendem Regen und zuckenden Blitzen. Wieder grollte Donner über sie hinweg wie das rumpelnde Brüllen eines wild gewordenen Tieres. Flieh, drängte sie Ragnar’k. Wir dürfen nicht in diesen Sturm geraten.
Ragnar’k fuhr herum, um das wilde Wüten des Sturmes selbst sehen zu können. Der Drache öffnete sein schwarzes Maul und drohte dem Donner mit lautem Gebrüll. Dann wirbelte er herum und hob ab, sodass sie dicht über die Wellen hinwegsegelten.
Beeil dich, trieb Saag wan den Drachen an.
Das Krachen des Donners und das Heulen des Windes wurden lauter. Sie lehnte den Kopf an Ragnar’ks Hals.
Plötzlich kam Saag wan der Gedanke, dass sie und Kast vielleicht zu überstürzt gehandelt hatten, die De’rendi auf eigene Faust zu suchen. Sie hätte den Rat ihrer Mutter befolgen sollen. Gedanken über eine Rückkehr zu ihrem Volk gingen ihr durch den Kopf, doch dann schob sie diese Bedenken beiseite und starrte aufs Wasser unter ihr. Vielleicht konnten sie unter die Wellen fliehen und im sicheren Meer warten, bis der Sturm vorüber war.
Nein!, dachte sie wild entschlossen und beugte sich über den Drachen. Sie befahl ihm, noch schneller zu fliegen. Sie hatten sich ohnehin schon zu lange aufgehalten und durften nicht noch einen weiteren Tag verlieren, indem sie sich vor dem Unwetter versteckten. Fliegen ging nicht nur schneller, es ermöglichte ihnen auch eine erheblich weitere Sicht. Wollten sie die De’rendi rechtzeitig entdecken, mussten sie und der Drache dem Sturm davonfliegen.
Als hätte das Unwetter ihre Gedanken erraten, brach hinter ihnen ein Gewirr von Blitzen aus dem Himmel und warf den Schatten des Drachen auf den Ozean. Das Meer wurde spiegelglatt, als das ohnehin schon spärliche Licht der Sonne von dem schonungslosen Unwetter endgültig verschluckt wurde.
Der Drache sprach: Der Himmel fletscht seine Zähne.
Und noch während er diesen Gedanken äußerte, überrollten die schwarzen Wolken die Mer’ai und den Drachen. Das Dröhnen des Donners hämmerte in Saag wans Ohren, und die heulenden Winde drohten sie vom Himmel zu holen.
Sie hatten das Rennen verloren.
Der Sturm hatte sie schon in seinen Klauen.
Pinorr stand im überfüllten Gemeinschaftsraum der Drachensporn. Fast die Hälfte
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