Alasea 03 - Das Buch der Rache
wirklich führte.«
»Sei es, wie es mag, wir müssen uns beeilen.«
Das Pochen wurde wieder heftiger. »Bring uns nicht dazu, die Tür einzuschlagen, Schamane!« bellte eine andere Stimme. Es war Ulster. Der Kielmeister war vermutlich ungeduldig geworden, weil seine Untergebenen so zaghaft vorgingen. »Die Tochter deines Sohnes untersteht den gleichen Gesetzen wie alle anderen. Sie zählt bereits zehn Winter und muss sich für ihre Taten verantworten. Also öffne die Tür sofort! «
Pinorr war klar, dass Ulster diese Reden nur wegen der Wachen schwang. Wieder einmal versuchte der Kielmeister, sich hinter den Buchstaben des Gesetzes zu verstecken, um seine Grausamkeiten zu rechtfertigen. Außerdem wusste jeder auf dem Schiff, dass Scheschons Reife weit von der einer Zehnjährigen entfernt war. Ulsters Angriff diente also auch dazu, Pinorr zu verletzen Doch ganz gleich, ob er nun Recht hatte oder nicht, man durfte die Befehle des Kielmeisters nicht missachten.
Mit einem Kopfschütteln wandte sich Pinorr an Mader Geel, die Scheschon und Ami schon an die Hand genommen hatte. Er ging zu ihr und flüsterte ihr noch schnell sein Vorhaben ins Ohr. Dann übergab er ihr die Sachen, die er in Scheschons Zimmer zusammengesucht hatte. »Wirst du das schaffen?«
Mader Geel nickte mit einem grimmigen Lächeln auf den Lippen. »Ich werde über das Mädchen wachen. Niemand wird ihr ein Haar krümmen.«
Pinorr ging zur Tür. »Dann soll der Kampf beginnen.«
Atemlos stürzte Saag wan als Erste in den Raum. Es folgten Meister Edyll und Kast. Als alle drei drinnen waren, verriegelte Saag wan die Tür von innen.
»Wo sind wir hier?« fragte Kast vorsichtig und sah sich in dem engen, schmucklosen Raum um.
Saag wan wandte sich an den Blutreiter. »Wir sind in einer Kammer an der Unterseite des Leviathans.« Sie deutete auf das einzig Besondere in dem Raum: ein tiefer Schacht im Boden, an dessen Ende man das Meerwasser blubbern sah. »Wir nennen es ein Obligatum«, erklärte sie und wusste doch gleichzeitig, dass dieses Wort Kast nichts sagen würde.
Damals, als die beiden an Bord des riesigen Leviathans gekommen waren, war das Seeungeheuer bereits aufgetaucht gewesen, da hatte Ragnar’k einfach auf seinem breiten Rücken landen können. Saag wan war vom Hals des Drachen gesprungen und hatte damit den unmittelbaren Körperkontakt beendet, wodurch Kast seine gegenwärtige Gestalt wieder angenommen hatte. Anschließend hatten die Wächter der Mer’ai sie nur noch hinunter in das Innere des Leviathans führen müssen.
Die heimliche Flucht würde sich jedoch nicht so leicht gestalten.
»Ein Ob Obligatum?« Kast warf einen Blick in den Schacht.
Nickend erklärte Saag wan: »Hierdurch können die Mer’ai einen Leviathan unter Wasser verlassen oder betreten. Durch diese Öffnung können auch tauchende Drachen ihre langen Hälse heraufstrecken und Luft holen, dann müssen sie nicht an die Oberfläche schwimmen.« Saag wan betrachtete den Wasserstand am Grund des Schachtes. »Wir haben Glück, der Leviathan schwimmt nicht sehr tief heute.« Sie wandte sich an Kast. »Wenn er zu tief taucht, wird das Wasser durch den erhöhten Druck in das Obligatum gedrückt und überflutet die Kammer. Das würde eine Flucht unmöglich machen.«
Meister Edyll gluckste. »Es ist nicht nur Glück, meine Liebe.«
»Wie meinst du das, Onkel?«
»Als ich hörte, dass ihr eine Audienz beim Rat erbeten hattet, ahnte ich schon, was ihr vorhattet, und befahl dem Leviathan, sich an diesem Tag nur in den Untiefen aufzuhalten.«
Saag wan runzelte die Stirn. »Wenn Mutter das erfährt, wird sie wissen, dass du uns zur Flucht verholfen hast.«
»Sie wird es vermuten, aber ohne Beweis…« Meister Edyll zuckte die Schultern. »Meine armen alten Ohren haben von dem Druck zu sehr geschmerzt. Ich wollte ihnen nur eine kurze Pause gönnen, also habe ich dem Leviathan befohlen, nicht zu tief zu tauchen.«
»Aha, ich verstehe«, sagte Saag wan und grinste über dieses erfundene Alibi.
»Und nun hinaus mit euch beiden.« Meister Edyll nahm etwas Eiförmiges mit einem langen Stiel von einem Haken an der Wand und gab es Kast.
Der Blutreiter nahm es entgegen, betrachtete es eingehend und drehte und wendete den Stiel. »Was ist das?«
»Eine Lufthülse«, erklärte Meister Edyll. »Du brauchst sie, um unter Wasser atmen zu können. Ich glaube, Saag wan kann die Luft lange genug anhalten.« Er warf seiner Nichte einen bedeutungsvollen Blick zu.
»Wie lange
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