Alasea 03 - Das Buch der Rache
Kind ist völlig verängstigt«, verteidigte sie sich und hielt dabei Scheschons Hand.
Scheschon starrte die Menschen um sie herum mit großen Augen an, ihre Unterlippe zitterte. Weil sie Angst hatte, hing die gefühllose Seite ihres Gesichtes noch weiter herunter. Mader Geel wurde gewaltsam aus dem Raum gezerrt, und das Mädchen blieb allein vor dem Tisch zurück. Scheschon versuchte, zu Pinorr zu gelangen, aber ein Wachmann hielt sie an der Schulter fest.
Jabib war inzwischen um den langen Tisch herumgegangen. Er kniete neben Scheschon nieder, lächelte sie an und flüsterte ihr leise Worte ins Ohr. Scheschon hörte ihm zu, doch sie wirkte sehr nervös und blickte sich oft zu Pinorr um.
Als Jabib schließlich lange genug auf sie eingeredet hatte, erhob er die Stimme, sodass die anderen ihn hören konnten. »Nun, Scheschon, meine Kleine, weißt du, warum du hier bist?«
Scheschon schüttelte langsam den Kopf. Sie hob die Hand, um am Daumen zu lutschen, aber Jabib drückte die Hand nieder.
»Du musst deinen Kämpfer wählen. Weißt du, was das bedeutet?«
Scheschons Stimme klang wie ein Flüstern im Sturm. »Mader sagt, ich soll auf Papa zeigen.«
»Aha, dann willst du also, dass dein Papa stirbt.«
Scheschons Augen wurden groß und rund und glasig. »Sterben?«
Tabib nickte. Er drehte Scheschons Gesicht zu Ulster. »Dieser große Mann da wird deinem Papa mit einem großen Schwert den Bauch aufschlitzen, wenn du auf deinen Papa zeigst. Willst du jetzt immer noch, dass er für dich kämpft?«
Da kullerten Tränen über Scheschons Gesicht. »Nein«, antwortete sie mit erstickter Stimme. »Ich will nicht, dass Papas Bauch aufgeschlitzt wird.«
Pinorr konnte es nicht länger ertragen. »Lasst das Kind in Ruhe!« rief er. Beim Anblick seiner Enkelin zog sich ihm das Herz zusammen. »Bitte.«
Jabib tätschelte Scheschons Kopf, als er aufstand. Seine Stimme übertönte das Gemurmel der Menge. »Ihr habt alle gehört, was sie gesagt hat. Sie lehnt Pinorr ab.«
Ulster trat vor. »Sie muss einen Kämpfer wählen oder sich selbst mit mir duellieren. Die Jakra wurde ausgesprochen.«
Da griff Pinorr ein. »Halte ein, Ulster«, rief er. »Nimm mich, wenn du willst, aber lass die kleine Scheschon in Frieden.«
»Ich soll einen Schamanen töten? Mein Schiff verfluchen? Ich glaube nicht, dass die Mannschaft damit einverstanden sein wird.«
Pinorr starrte Ulster nur an. »Dann willst du also ein unschuldiges Kind töten? Vor der versammelten Mannschaft?«
»Ich habe es mir nicht ausgesucht«, behauptete Ulster. »Ich wollte sie nur bestrafen und hatte lediglich vor, ihr zwei leichte Peitschenhiebe zu verabreichen um euch beiden eine Lektion zu erteilen. Du hast diese neue Richtung eingeschlagen, nicht ich.«
Pinorr verzog das Gesicht, er hatte dem Kielmeister nichts mehr entgegenzusetzen. Der Schamane hatte sich in den vergangenen Wintern für so klug gehalten, für so weise. »Wenn du mir Scheschon wegnimmst, werde ich einen Weg finden, dich zu vernichten. Das schwöre ich dir.«
Ulster zuckte die Achseln.
Mader Geel wurde wieder hereingelassen, um Scheschon zu trösten. Die alte Frau schloss die Kleine in die Arme und flüsterte ihr beruhigende Worte ins Ohr.
Pinorr wusste, dass er verloren hatte. Er versuchte, zu seiner Enkelin zu gelangen, aber die Wachen hielten ihn zurück.
Stattdessen kniete Jabib erneut neben der kleinen Scheschon nieder. »Du musst dir jemanden aussuchen, mein Mädchen. Du musst jemanden finden, der für dich kämpft.«
Pinorr hörte nicht mehr zu. Es war vorbei. Niemand würde ihm mehr Gehör schenken.
Scheschon befreite sich aus Mader Geels Umarmung. Ihre Augen waren glasig und blickten in die Ferne. Die Furcht hatte sie veranlasst, sich in sich selbst zurückzuziehen. Scheschon legte den Kopf in den Nacken und blickte zur Decke. »Sie sind da«, murmelte sie.
Plötzlich fuhr das Krachen eines Donners durch die Planken des Schiffes. Es klang, als wäre der Kiel entzweigebrochen. Alle sprangen auf.
Jabib berührte Scheschons Schulter. »Triff deine Wahl!« rief er ungeduldig.
Versunken in ihren Wahnsinn, besaß Scheschon die Stärke eines erwachsenen Mannes. Sie befreite sich aus Jabibs Griff und stolperte in die Menge. Die Mannschaft teilte sich, um sie durchzulassen. Niemand wagte es, ihr in die Augen zu blicken. Niemand wollte gezwungen sein, das Kind zurückzuweisen.
Jabib folgte Scheschon, die es plötzlich eilig zu haben schien. Die Menge trat zurück und erlaubte Pinorr und
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