Alasea 03 - Das Buch der Rache
nun ein Vorzeichen für
irgendetwas war oder nicht, Er’ril war ein wahrer Ritter, dem
sie niemals misstrauen würde.
Niemals.
Als Mikela schließlich fertig war zum Aufbruch nach Port Raul, hatte die Nachmittagssonne die Klippen aufgeheizt. Die Gewänder klebten an der feuchten Haut, und ein schimmerndes Licht spiegelte sich auf dem Meer. Mikela brannte darauf, sich endlich auf den Weg zu machen. Sie zog den Sattelgurt ein letztes Mal fest und rückte die Satteltaschen zurecht.
Dann beschattete sie mit der flachen Hand die Augen und drehte sich der Gruppe zu, die sich versammelt hatte, um ihr eine gute Reise zu wünschen. Da sie schon immer ein einsames Leben geführt hatte, hatte Mikela nicht viel übrig für gefühlsbetonte Abschiede. Seufzend und entschlossen, es schnell hinter sich zu bringen, ging sie zu Elena und umarmte ihre Nichte kurz, aber herzlich. »Üb weiter, während ich weg bin«, forderte sie das Mädchen auf. »Ich erwarte, dass du die Federparade vollendet beherrschst, wenn ich zurück bin.«
»Das werde ich tun, Tante Mi.«
Elena schien noch etwas sagen zu wollen, aber Mikela ging schon weiter zu Er’ril. »Pass auf meine Nichte auf, Mann aus der Prärie. Es braut sich ein Sturm zusammen, und ich erwarte von dir, dass du ihr Schutz gewährst.«
»Immer«, versprach Er’ril mit einem kurzen Nicken. »Und du, pass auf dich auf in Port Raul. Du hast die Neuigkeiten gehört, die Flint erzählt hat.«
Sie nickte. »Ich bin mit der Sumpfstadt vertraut«, antwortete sie und gebrauchte dabei den Spitznamen der Hafenstadt. Auf der Landseite umgeben von ausgedehnten, heimtückischen Sümpfen und auf der Seeseite bewacht von gefährlichen Strömungen zwischen den tausend Inseln des nahe gelegenen Archipels, war die Stadt Zuflucht für alle, die das Gesetz umgehen wollten. Regiert wurde die Stadt von käuflichen, grausamen Kasten, daher empfand man das Wort Gerechtigkeit dort schon fast als Beleidigung. Es gab nur eine Regel, die in Port Raul von allen befolgt wurde: Pass stets auf, was hinter dir geschieht.
Als Mikela sich abwenden wollte, hielt Er’ril sie zurück. »Bist du sicher, dass du erkennen wirst, wenn einer der anderen Gefährten vom Herrn der Dunklen Mächte mit einem Bann belegt worden ist?«
»Zum tausendsten Mal, ja!« rief Mikela mürrisch, sie wollte endlich aufbrechen. »Vertrau meinen Fähigkeiten! Meine elementaren Sinne erkennen sofort, wenn jemand von schwarzer Magik verdorben ist. Ich bin eine Sucherin. Davon verstehe ich etwas.« Sie warf dem Präriemann einen grimmigen Blick zu.
Er’ril zügelte seinen aufkommenden Ärger.
Elena nahm den Präriebewohner in Schutz. »Er’ril ist doch nur vorsichtig, Tante Mi. Wenn einer von ihnen ein Bösewächter geworden ist…«
»Werde ich ihn höchstpersönlich zur Strecke bringen«, sprach sie, wandte sich ab und beendete damit die Diskussion. Sie kannte ihre Aufgabe. Seit hunderten von Jahren manipulierte das Schwarze Herz die reine elementare Magik des unschuldigen Volkes und hatte so ein Heer von abscheulichen Bösewächtern geschaffen. In Port Raul würde Mikela nach den anderen Gefährten suchen: Kral, Mogwied, Merik und nach ihrem eigenen Sohn Tol’chuk. Sie würde es gleich erkennen, wenn einer der vier von schwarzer Magik befallen war. Nur wenn sie alle rein von schwarzer Magik waren, würde sie ihnen Elenas geheimen Aufenthaltsort enthüllen. Wenn nicht… sie rückte die überkreuzten Schwertscheiden auf dem Rücken zurecht. Nun, auch mit diesem Problem würde sie fertig werden. Vor ihrem geistigen Auge sah sie das zerfurchte Gesicht ihres Sohnes. Obwohl er ein Si’lura Halbblut war, glich seine äußere Erscheinung mehr dem Og’er Vater. Würde sie ihren eigenen Sohn töten können, wenn er verflucht wäre?
Mikela stellte diese Gedanken einstweilen zurück. Es gab noch ein letztes Mitglied ihres Bundes, das auf den Abschied wartete.
Joach stand ganz in der Nähe und trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Seine Faust hielt den schwarzen Poi’holz Stab umklammert. Mikela runzelte die Stirn beim Anblick des brüchigen, knorrigen Holzes. Während der letzten Tage hatte der Junge stets dieses üble Magik Utensil bei sich getragen. Sie trat vor ihren Neffen und umarmte ihn hastig, wobei sie eine Berührung mit dem Stab vermied. Mikelas Haut fing stets an zu kribbeln, wenn sie dem Holz zu nahe kam. Das Interesse an diesem Stab, das Joach neuerdings entwickelt hatte, gefiel ihr gar nicht. »Du solltest dieses…
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